Bürgermeister verhindert Erinnerung an NS-Opfer
Geschichtsleugnung. In den 1930er-Jahren lebten etwa 80 Roma und Sinti in Kirchstetten, einer Ortschaft nahe St. Pölten. Und dann kam die NS-Zeit. „Die Zigeuner werden von ihren Erbanlagen gezwungen, gemeinschaftsfeindlich zu handeln“, war im Februar 1939 im St. Pöltner Anzeiger zu lesen. „Einzige Lösung: Ausmerzung.“
Die Künstlerin Marika Schmiedt wollte in Kirchstetten mit einer temporären Installation an das Schicksal der Roma und Sinti erinnern, die in der NS-Zeit deportiert wurden. Bürgermeister Paul Horsak (ÖVP) lehnte das Ansinnen aber ab. Die heutigen Generationen seien „der Ansicht, dass die Vergangenheit ruhen“soll: „Allgemeiner Tenor: Erinnerung ja, aber es muss auch einmal Schluss sein mit Aufarbeitung und Auseinandersetzung.“
Kirchstetten „an den Pranger“zu stellen, lasse er als Bürgermeister nicht zu: „Wir sind eine Dichtergemeinde und sind stolz darauf, Heimat für Kultur in all ihren Facetten und in ihrem breiten Spektrum zu sein“. Als Beleg führt er u. a. den „weltweit anerkannten Lyriker und Poeten“Josef Weinheber an.
Weinheber hatte 1936 in Kirchstetten ein Haus erworben, das heute als Gedenkstätte dient. Dort nahm sich der Nazi-Dichter am 8. April 1945 – wenige Tage vor Kriegsende – das Leben. Zudem ist in Kirchstetten eine Straße, ein Kindergarten und eine Autobahnbrücke nach Weinheber benannt. Die NSVergangenheit hingegen – der Antisemit bejubelte in Versen den „Anschluss“1938 und huldigte dem Führer – wird verschwiegen.
Die Grünen protestierten nun. Und der Schriftsteller Doron Rabinovici forderte Horsak auf, seine Position zu überdenken: Es liege an ihm, „ob Kirchstetten zu einem Sinnbild heimischer Geschichtsleugnung wird oder zu einem Markstein politischer Auf klärung“.