Riesenrad-Fahrt vor dem Derby
Bei den Bayern einst Kollegen, heute Rivalen: Rapids Jancker und Austrias Fink im Interview.
Haben Sie Wien schon von oben gesehen? Austria-Trainer Thorsten Fink schon. Immerhin wohnt er im Melia Hotel im DC Tower, dem höchsten Gebäude Wiens. Für den KURIER-Termin ging er aber gemeinsam mit Rapid-CoTrainer Carsten Jancker im Wiener Riesenrad in die Luft und freute sich sichtlich, seinen Spezi aus Münchner Zeiten wiederzusehen. Zum ersten Mal in Wien. Die Riesenrad-Betreiber hielten für die früheren Bayern-Spieler und Champions-League-Sieger den Kaffeehaus-Waggon frei. KURIER: Halten Sie regelmäßig Kontakt zueinander? Thorsten Fink: Nein. Wenn ich nach München komme, dann sehe ich meine Kollegen von damals. Wir haben ja viel gemeinsam erlebt, positiv wie negativ. Wir sind immer noch eine verschworene Truppe. Ich würde nie über einen Mitspieler von damals irgendetwas Schlechtes sagen. Carsten Jancker: Der letzte Kontakt war, als Thorsten bei der Austria unterschrieben hat. Da habe ich ihn dann angerufen. Haben Sie Thorsten Fink schon Tipps für Wien gegeben? Jancker: Wir haben kurz darüber gesprochen. Ich bin sicher, dass er sich allein zurechtfinden wird.
Fink: Jetzt am Anfang war es etwas schwierig, ich habe viel zu tun gehabt. Aber wir werden uns schon ab und zu treffen, auch wenn wir von den Vereinen her Rivalen sind. Privat werden wir uns aber weiterhin leiden können. Jancker: Dafür haben wir zu lange gemeinsam gespielt. In Wien befinden sich die Klubs anders als in München auf Augenhöhe. Macht das das Spiel so besonders? Fink: Sicherlich. Für mich ist es zwar neu, aber ich weiß schon, was es für die Wiener als echtes Stadtderby bedeutet. Ich halte gleich fest: Ich will keinen Fanatismus im Fußball. Am Tag X will ich gewinnen, mit harten, aber fairen Mitteln. Herr Jancker, Sie kennen das Derby. Wie beschreiben Sie Herrn Fink, was es ausmacht? Jancker: Die Gesänge und die Stimmung. Bei den Spielern, den Betreuern und den Fans – solange es im Rahmen bleibt. Am Mittwoch wird es sicher interessant und intensiv. Bei einem Derby ist die Platzierung egal. Sie haben bei den Bayern nicht nur Schönes erlebt ... Jancker: Heute wird immer wieder über das Finale 1999 gesprochen und über 2001, den Sieg. Das Gros des Teams ist zusammengeblieben, wir wurden damals mit dem Thema in Ruhe gelassen. Viele von uns waren schon am Zenit. 2001 war dann noch die Chance für uns. Das war ein Zyklus. Der Zusammenhalt war vorhanden. Wir waren ja ständig kaserniert.
Fink: Wir waren häufiger zusammen als mit unseren Frauen. Fünf Jahre lang. Jancker: Wir hatten ein gutes Klima. Das war eine Mannschaft, die immer an ihre Grenzen gegangen ist.
1999 die Niederlage, 2001 der Triumph. Ist das nicht auch ein Spiegelbild für das Leben? Jancker: Doch. Weil du wieder aufstehen musst. Nach dem 1:2 von 1999 gegen Manchester United mussten wir noch auf das Bankett, danach gingen wir auf die Zimmer und setzten uns zusammen. Ich konnte drei Monate nicht schlafen. Jedes Mal ging mir mein Fallrückzieher an die Latte durch den Schädel.
Fink: Ich habe auch einen Fehler gemacht vor dem Gegentor, als ich den Ball nicht weit genug weggeschlagen habe. So etwas prägt dich, vielleicht nicht unbedingt für das Leben, aber sicherlich als Fußballer. Du lernst, weiterzumachen. Wie kann man nach einer Nacht von Barcelona, wo Sie in zwei Minuten ausgeknockt worden sind, wieder aufstehen? Jancker: Mit der Zeit. Und den Spielen, die folgten.
Fink: Wir haben uns geschworen, dass wir das doch noch gewinnen werden. Wenn man sich gemeinsam Ziele setzt, dann kann man so et- was überwinden. Wir haben zudem mit Hitzfeld einen Trainer gehabt, der uns das gut vorgelebt hat. Jancker: Er konnte die Köpfe der Spieler anzapfen. Wir hatten 16 Teamspieler und noch andere richtig Gute. Er hat sie alle zusammengehalten.
Fink: Heute ist es bei den Bayern ja noch schlimmer, da sitzt ein Götze auf der Bank, der 40 Millionen Euro gekostet hat. Das sind schon ganz andere Kaliber als wir damals. Herr Fink, 2001 haben Sie im Finale nicht gespielt. Fühlt man sich dennoch vollwertig als Sieger? Oder ist das ein Makel? Fink: Ich bin vor dem Finale noch fit geworden, aber wurde nicht mehr mitgenommen. Ich habe meinen Beitrag geleistet, als ich noch fit war. Dann war es mir auf der Bank wichtig, auch als Wechselspieler positive Beiträge zu leisten. Nicht negativ sein – das ist mir auch heute bei den Kaderspielern ganz wichtig. Herr Jancker, Sie wurden beim Finale 2001 gegen Valencia zur Pause eingetauscht. Waren Sie damals der richtige Joker? Jancker: Ich bin der Meinung, dass der Trainer mit der StartAufstellung damals einen Fehler gemacht hat.
Fink: Aber wenn du noch gewinnst, kommt das nie raus.
(beide lachen) Wenn der vierte gemeinsame Meistertitel in fünf Jahren gefeiert wird – ist dieser dann weniger emotional als der erste? Jancker: Im Gegenteil. Es wird immer geiler, man will immer mehr.
Fink: Es kommt schon auch darauf an, wie du die Meisterschaft holst. Als wir in Hamburg 2001 in allerletzter Sekunde den Titel geschafft haben, war das natürlich eine außergewöhnliche Feier. Sie haben das mediale Umfeld in München in Höhen und Tiefen miterlebt. Sind die österreichischen Medien im Vergleich wie ein Kindergeburtstag? Fink: Bis jetzt bin ich zufrieden. Aber ich weiß ja noch nicht, was im Laufe der Saison passiert (lacht). Jancker: Bei den Bayern sind sieben TV-Stationen bei jedem Training, und wenn du verlierst 15. Aber auch in Österreich stehen alle Cheftrainer unter großem Druck. Sie haben in der Spielerkarriere alles gewonnen. Gewinnt man dadurch auch an Gelassenheit in heiklen Situationen? Fink: Alle Erfahrungen können helfen. Ich habe gelernt, weder dem Positiven noch dem Negativen zu viel Bedeutung beizumessen. Jancker: Ich sehe es als Privileg, mein Hobby immer noch beruflich ausüben zu dürfen. Trotzdem kann ich einfach nicht verlieren.
Fink: Verändern kannst du dich ja nicht. Ich bin und bleibe ein emotionaler Typ. Herr Fink, Ihr Spitzname bei den Bayern war „Duke“. Hatte auch Carsten Jancker einen Spitznamen? Fink: Ja, das waren mehrere. Jancker: Ja, ich war der „Tanker“, der „Popeye“und auch der „Fußballgott“. Stichwort „Bayern-Gen“. Hat Rapid jetzt etwas von dieser Siegermentalität? Jancker: Das ganze Trainerteam arbeitet darauf hin, dass der Siegeswille auf dem Rasen immer spürbar ist.
Fink: In Amsterdam war das wirklich zu spüren. Da wollen wir auch hin. Jetzt geht es darum, den Spielern zu vermitteln, dass eine im Moment noch bessere Mannschaft wie Rapid zu schlagen ist. Jancker: Aber Finker, du weißt doch: Derby ist Derby. Eigene Gesetze und so.