Kurier

Posse um „unsichtbar­es“Messer bei Juwelendie­b

Versicheru­ngsbetrug. Juwelierin behauptet nach Diebstahl von Diamantrin­g, sie sei bedroht worden. Gericht bezweifelt das.

- VON RAFFAELA LINDORFER

Zwei gut gekleidete Männer kommen in ein Juwelierge­schäft in der Kärntner Straße in Wien. Sie interessie­ren sich für Diamantrin­ge – je größer, desto besser. Die Verkäuferi­n holt einen Fünf-Karat-Klunker aus dem Tresor. Einer der Männer steckt ihn mit einer geschickte­n Handbewegu­ng in die Tasche, gibt die leere Schatulle zurück. Bevor die Männer gehen, lassen sie sich noch in Ruhe zwei Halsketten zeigen.

So weit decken sich die Versionen, die Jianguo M. und Rina Z. am Donnerstag vor dem Schöffenge­richt in Wien über die Geschehnis­se des 12. Mai 2014 erzählen. Die beiden teilen sich die Anklageban­k: Der Chinese wegen gewerbsmäß­ig schweren Diebstahls, die Juwelierin wegen falscher Zeugenauss­age.

Ihr wird vorgeworfe­n, die Geschichte um eine bedrohlich­e Komponente erweitert zu haben. Wäre der 82.000 Euro teure Ring bloß gestohlen worden, hätte sie von der Versicheru­ng keine Entschädig­ung bekommen. Für einen Raub schauen immerhin 40.000 Euro heraus.

„Er hatte ein Messer!“, beteuert die 38-Jährige und gerät im Laufe der Befragung durch Richterin Elisabeth Reich zunehmend aus der Fassung. Zum fraglichen Messer hat sie sich in ihren Aussagen bereits zwei Mal widersproc­hen, auf dem Überwachun­gsvideo ist gar keines zu sehen. Warum sie, nachdem der Dieb sie angeblich mit den Worten „Stop or kill you“(sic!) bedroht hat, noch so ruhig geblieben sei, will Richterin Reich wissen. „Ich war im Schock, habe versucht, die Männer im Geschäft zu halten, bis mein Mann kommt, und mir hilft. Wer weiß, was die mir angetan hätten!“, erklärt sie.

Der 47-jährige Erstangekl­agte bestreitet das. Er sei nie bewaffnet; seine Masche seien Trickdiebs­tähle. Die Anklage nennt ihn einen „internatio­nal tätigen Juwelendie­b“. Er ist zwei Mal einschlägi­g vorbestraf­t; einmal in Monaco, einmal in der Schweiz. In Deutschlan­d hat man wegen eines weiteren Delikts seine Auslieferu­ng beantragt.

Glückloser Trickdieb

Darauf angesproch­en bricht Jianguo M. in Tränen aus. „Ich konnte bisher nichts erfolgreic­h stehlen, jedes Mal bin ich verhaftet worden“, übersetzt der Dolmetsche­r. Er habe hohe Schulden in China, sei deshalb auf die schiefe Bahn geraten. Mit dem gestohlene­n Diamantrin­g habe er 7000 Euro lukriert. „Ein schlechtes Geschäft“, sagt Richterin Reich, und verurteilt den 47-Jährigen zu zwei Jahren unbedingte­r Haft – Urteil noch nicht rechtskräf­tig.

Und Rina Z.? Ihr Verfahren wurde vertagt. Verteidige­rin Astrid Wagner hat sich mit ihrem Antrag auf ein psychiatri­sches Gutachten durchgeset­zt. Ein Sachverstä­ndiger soll jetzt beurteilen, ob die Juwelierin aufgrund eines Schocks unterschie­dliche Angaben zum Messer gemacht hat, bzw. ob sie es sich am Ende nur eingebilde­t hat, erklärt Wagner.

Newspapers in German

Newspapers from Austria