Kurier

„Fack ju Göhte 2“im Check

Wie es in Brennpunkt-Schulen wirklich zugeht

- VON MARIE ACHTERNBUS­CH UND GABRIELE KUHN

So fies kann es in Ehen manchmal zugehen: Kürzlich kursierte im Netz die Geschichte von einem Mann, der in einer Excel-Liste akribisch aufgezeich­net hatte, wann seine Frau nicht mit ihm schlafen wollte – vor allem aber: warum. Seine Art von Rache für nur drei Mal Sex in sieben Wochen. Gleichzeit­ig zeigte eine repräsenta­tive GfK-Umfrage, dass rund sieben Prozent von 1969 befragten Frauen und Männern nach einem gemeinsame­n Urlaub beschließe­n, sich zu trennen. Und auch die Scheidungs­zahlen sind wieder gestiegen – im Jahr 2014 gingen mehr Ehen zu Bruch, mit einem Plus von 4,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Alles nur eine Frage der Zeit – oder des Schicksals? Keineswegs – meinen die Paartherap­euten Stefanie Körber und Stefan Pott in ihrem neuen Buch „LiebesErkl­ärung“(Ueberreu

ter). Sie sind überzeugt, dass alle Menschen in ihren Part- nerschafte­n die große Liebe suchen würden. „Kein Mann und keine Frau sind je zusammenge­kommen, und haben sich mit einem tiefen Blick in

die Augen zugeflüste­rt: „Weißt du, was ich mir wünsche? Dass wir bald schrecklic­he Auseinande­rsetzungen wegen absoluter Bagatellen vom Zaun brechen, dass wir uns wehtun, anschweige­n und demütigen, dann über Jahre keinen Sex mehr haben und beide fremdgehen – versprichs­t du mir das?“

Wie Liebe funktionie­rt

Im Grunde will jeder nur das Beste. Aber wie? Pauschalre­zepte haben die Therapeute­n zwar auch keine, aber ein paar „Basics“. Ihr Credo: „Je mehr die Menschen wissen, wie Liebe funktionie­rt – vor allem aber, wie sie nicht funktionie­rt –, desto mehr Liebe wird es im Leben geben.“Für Ahnungslos­e ist das Thema also nichts.

Daher zurück auf Feld 1 – dem Anfang, dem Verliebtse­in. Da ist die Welt noch in Ordnung – die Frisur sitzt, die rosa Brille auch. Über Schwächen wird hinweggese­hen, der andere ist gut, wie er ist. Kein Zustand für ewig. Aber einer, aus dem sich viel lernen ließe. Paare, die über Jahre Liebende bleiben, erzählen immer wieder, dass sie große Teile ihrer Ideen aus dem Verliebtse­in mitgenomme­n und umgesetzt haben. Auf diese Weise schaffen sie, der „Funktionsf­alle“zu entrinnen.

Sie wissen schon, das ist jener Punkt, an dem der Alltag zu dominieren beginnt. Man etabliert sich – mit allem Drum und Dran: Wohnung, Kinder, gemeinsame­s Konto, Sicherheit. Das braucht’s – aber es braucht noch mehr. Denn scheint all das „erreicht“, fragen Frau und Mann sich: „War das jetzt alles?“Körber und Pott nennen das „Sollbruchs­telle“– jener Moment, wo es wieder um das „Andere“, das „Neue“geht. Das ist der Zeitpunkt, an dem zum Beispiel der Seitenspru­ng kommt. Weil sich das Miteinande­r daheim auf Nullmeldun­gen reduziert hat – auf banale „To-do-Bitten“, auf nichtssage­nde Plauschere­ien.

An dieser Stelle kommt aus Sicht der Paartherap­euten etwas ins Spiel, ohne das keine Beziehung leben soll: die Herzebene. „Denn neben dem reinen Funktionie­ren, Abwickeln und Organisier­en der Liebe und ihres Alltags existiert eine zweite Dimension, welche die Liebe ausmacht. Weil es dort um Dinge geht, die uns buchstäbli­ch am Herzen liegen.“Um das Fühlen und Spüren, um Ahnen und Wollen, um himmelhohe und abgrundtie­fe Welten, um Jubel und Glück, Trauer und Tränen.

Dressierte Gefühle

Das geht, sind Körber und Pott überzeugt – doch dafür braucht es das Sprechen über Herzensang­elegenheit­en: „Das Paar muss sich austausche­n über Begriffe, Gefühle und Stimmungen.“Denken, Fühlen und die Kom- munikation darüber verstehen die Autoren als „Wachstumsp­fad“. Dieser Weg ist kein leichter, weil das Paar bereit sein muss, sich dafür zu öffnen. Um authentisc­h zu sein, denn: „Partnersch­aften sind immer Orte des Echten“. Frei von Vorgetäusc­htem und Halbwahrhe­iten.

Allerdings sind es die meisten Menschen gewohnt, ihre Gefühle zu dressieren – weil diese weh tun oder unangenehm sind. Hier kommt der „Liebeswert“ins Spiel – jene „Software“, nach der Liebe gestaltet wird. Der Wert ist niedrig bei Menschen, die wenig Zuwendung erfahren haben und nicht angenommen wurden. Das Minus wirkt sich in der Partnersch­aft aus – Gefühle und all ihre Ausprä- gungen landen im „Hinterzimm­er“– aus Angst vor weiterer Zurückweis­ung wird geschwiege­n oder gelogen. Dieses Zimmer ist jener Platz, zu dem der Partner keinen Zugang hat – an dem nicht nur große Geheimniss­e wie Affären, Spielschul­den oder die Langeweile beim Sex herumdümpe­ln. Sondern auch der Wunsch, öfter geküsst zu werden, die Sehnsucht, ganz anders zu leben oder zu lieben. „Halbwahrhe­iten, die den Alltag durchziehe­n“, so Körber und Pott. Aber, Pech: „Was Sie nicht mitteilen, das teilen Sie auch nicht.“Keine Änderung in Sicht.

Daher sei das Gespräch für Liebende ohne Alternativ­e. Als Schlüssel, der das Hinterzimm­er öffnet.

„Je mehr wir wissen, wie die Liebe funktionie­rt und vor allem, wie sie ganz sicher nicht funktionie­rt, umso mehr Liebe wird es in unserem Leben geben.“Stefanie Körber, Stefan Pott Paartherap­euten

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