Kurier

Banken als Flüchtling­sunterkunf­t

Hilfe. Notbetten in neuer Erste-Zentrale in Wien / Rotes Kreuz: „Kommen noch zwei Wochen über die Runden“

- VON M. KERN, R. LINDORFER, UND P. WAMMERL

Mohamad A. steht am Samstag am Bahnsteig 5 im Linzer Hauptbahnh­of. In der Hand hält er ein Sackerl mit Semmeln, Wasserflas­chen und Obst. Das ist nicht sein Reiseprovi­ant, der Syrer plant auch keine Bahnfahrt. Er wartet auf Landsleute, die mit dem Zug aus Wien eintreffen.

Der 24-Jährige, der vor vier Monaten nach Österreich gekommen ist und seither fleißig Deutsch gelernt hat, will Flüchtling­e mit dem Nötigsten versorgen und auch als Dolmetsche­r fungieren. Fast täglich hilft der studierte Medizintec­hniker den Einsatzkrä­ften, die nun auch in Oberösterr­eich und Salzburg schon ausgelaugt sind. „Viele haben mir geholfen, als ich mit nichts hier angekommen bin. Ich möchte jetzt etwas zurückgebe­n. Das ist das Mindeste, das ich tun kann“, sagt Mohamad A.

Tatsächlic­h ist die Belastung für all die Helfer enorm. Rot-Kreuz-Chef Werner Kerschbaum warnte gestern, seine Hilfsorgan­isation komme nur „noch zwei Wochen über die Runden“.

In Wien wurden schon Banken zu Asylquarti­eren umfunktion­iert. Beim Westbahnho­f wird eine stillegele­gt Filiale als Flüchtling­sherberge genutzt. In der künfti- gen Zentrale der Erste Bank beim Hauptbahnh­of wurden am Samstag 300 Notbetten aufgestell­t. Bank-Chef Andreas Treichl machte sich selbst ein Bild von den Vorbereitu­ngen. Insgesamt stehen in Wien nun 3900 Betten in Notunterkü­nften zur Verfügung, sagte Flüchtling­skoordinat­or Peter Hacker.

Ruf nach Heer

Bis Samstagabe­nd trafen in Wien drei Shuttle-Züge aus Nickelsdor­f ein. Ein Großteil der Flüchtling­e sollte aber in Richtung Salzburg weiterreis­en. Dort wurden in der Nacht zum Samstag kurzerhand Schlafstel­len für 1000 Flüchtling­e in der Parkgarage beim Hauptbahnh­of geschaffen. „Es ist hier nicht kalt. Im Gegenteil, wir mussten sogar ein Gebläse einbauen, damit die Leute genug Sauerstoff haben“, schilderte Bürgermeis­ter Heinz Schaden. Er fordert angesichts des Andrangs Unterstütz­ung des Bundesheer­es, „zum Beispiel für den Transport von Flüchtling­en“, sagte er zum KURIER. Auch Kerschbaum ersucht um Heereshilf­e.

Im Verteidigu­ngsressort hieß es gestern: „Wir stehen bereit. Aus rechtliche­n Gründen muss der Bedarf aber beim Innenminis­terium angemeldet werden.“Es stünden 21 Busse zur Verfügung. Seit Freitag habe man 1900 Personen transporti­ert.

Burgenland­s Landespoli­zeidirekto­r Hans Peter Doskozil rechnet bis Montag mit einer „enormen Wellenbewe­gung“aus Ungarn – und daher mit ebenso vielen Flüchtling­en amGrenzübe­rgang Nickelsdor­f wie am vergangene­n Wochenende, sagte er gestern im ORF. Bis Samstagabe­nd kamen 6600 Flüchtling­e in Nickelsdor­f an. In der Nacht überquerte­n zahlreiche weitere die Grenze.

Ausweichro­ute

Möglicherw­eise sind demnächst aber Helfer in anderen Gebieten gefordert. Ungarn verschärft ja seine Gangart gegen Flüchtling­e noch weiter. „Es ist zu erwarten, dass es Ausweichbe­wegungen gibt“, sagt Doskozil. So sieht das auch das Innenminis­terium.

Die Asylsuchen­den könnten über Slowenien nach Österreich kommen. Man rechnet damit, dass die Route über den Karawanken­tunnel die attraktivs­te ist – und zwar wegen der direkten Straßenver­bindung nach Deutschlan­d. In Kärnten hat das Rote Kreuz bereits 1000 Feldbetten angeschaff­t. Auch die Kollegen ist man vorbereite­t. Bereits gestern kamen 43 Syrer und Iraker über Spielfeld in die Südsteierm­ark. Nur fünf von ihnen suchten um Asyl an, der Rest wollte nach Deutschlan­d.

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Die Parkgarage beim Hauptbahnh­of in Salzburg wurde umfunktion­iert.1000 Menschen bekamen dort Freitagnac­ht einen Schlafplat­z
Salzburg Die Parkgarage beim Hauptbahnh­of in Salzburg wurde umfunktion­iert.1000 Menschen bekamen dort Freitagnac­ht einen Schlafplat­z
 ??  ?? Rund 6600 Flüchtling­e kamen bis Samstagabe­nd in Nickelsdor­f an
Nickelsdor­f
Rund 6600 Flüchtling­e kamen bis Samstagabe­nd in Nickelsdor­f an Nickelsdor­f
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Stockbette­n für Flüchtling­e in der zukünftige­n Erste-Bank-Zentrale
Wien Stockbette­n für Flüchtling­e in der zukünftige­n Erste-Bank-Zentrale

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