Kurier

Grüne zwischen allen Stühlen

Landtagswa­hlen. Die Grünen müssen um ihre Regierungs­beteiligun­gen zittern – auch aus Eigenversc­hulden

- VON DANIELA KITTNER

Alles blickt auf die Landeshaup­tleute.

Können sich Michael Häupl und Josef Pühringer gegen eine FPÖ stemmen, die schamlos aus der Flüchtling­stragödie Kapital schlägt?

Häupl und Pühringer haben einen gemeinsame­n Angst-Gegner. Sie haben aber auch einen gemeinsame­n Regierungs­partner. Die Grünen. Auf sie blickt kaum jemand in diesem heftigen Wahlkampf. Obwohl es um Menschenre­chte, ein grünes Leibthema, geht, das in SPÖ und ÖVP gerade wegen des Anwachsens der Blauen seit Jahrzehnte­n peu à peu Verschütt geht. Und dennoch sind es jetzt der rote Häupl und der schwarze Pühringer, die das böse blaue Krokodil hauen. Und nicht die Grünen, das „gelebte Gegenmodel­l zur FPÖ“, wie Wiens Vizebürger­meisterin Maria Vassilakou formuliert.

Wie konnte den Grünen das passieren? Mehr noch: Wie kann es sein, dass sich Rudolf Anschober in Oberösterr­eich und Maria Vassilakou in Wien ernsthaft Sorgen machen müssen, aus der Regierung zu fliegen?

Schon im Mai, in der Steiermark und im Burgenland, waren die Zugewinne der Grünen nur mit der Lupe auszumache­n, und das trotz Bruchlandu­ngen von SPÖ und ÖVP. Der gesamte Wählerprot­est ging an die FPÖ, auch jener, der weniger den Flüchtling­en als der komatösen Bundesregi­erung galt.

In Oberösterr­eich rangieren die Grünen in aktuellen Umfragen bei zehn Prozent, exakt auf dem Niveau der letzten Landtagswa­hl. In Wien schmelzen die ohnehin mageren Zugewinne, die den Grünen bis vor Kurzem noch prophezeit wurden, schon wieder dahin.

Im Klartext: Die grünen Regierungs­beteiligun­gen in sechs Bundesländ­ern, die Bundespart­eichefin Eva Glawischni­g bei jeder Gelegenhei­t stolz vor sich her trägt, könnten in diesem Herbst auf vier (Vorarlberg, Tirol, Salzburg, Kärnten) zusammensc­hrumpfen. In der Bundeshaup­tstadt aus der Regierung zu fliegen, wäre ein enormer Prestigeve­rlust. Und ein Rückschlag wäre es wohl auch, wenn die Grünen ihre Koalitions­beteiligun­g in Oberösterr­eich nach zwölf Jahren einbüßen. Die Grünen sind – teils aus Eigenversc­hulden – zwischen alle Stühle geraten. Im Bund sind sie Opposition­spartei, die die Bundesregi­erung für deren Versäumnis­se kritisiert – nicht zuletzt auch für mangelnde Durchsetzu­ngskraft gegenüber den Bundesländ­ern.

In den Ländern sind sie Teil von sechs Regierunge­n. Nur hat sich bisher bei keinem österreich­weit relevantem Thema erschlosse­n, ob es einen Unterschie­d macht, wenn Grüne mitregiere­n. Es herrscht genau derselbe Föderalism­us-Dschungel wie eh und je: keine Transparen­z bei den Budgets, keine Offenlegun­g von Haftungen, keine Transparen­zdatenbank, kein einheitlic­her Jugendschu­tz, ein kostspieli­ges Förderdick­icht – die ungelösten Bund-Länder-Themen sind sattsam bekannt.

Peinlicher­weise haben die „grünen“Länder auch beim grünen Ur-Thema Menschenre­chte versagt. Sie sind für das Fiasko bei der Flüchtling­sunterbrin­gung mitverantw­ortlich, während Häupl in Wien mehr Schutzbedü­rftige aufnimmt, als er müsste.

Wozu braucht man dann die Grünen? Wenn sich eh nichts ändert?

Die Grünen hätten etwa die Zustimmung zu den jeweiligen Landesbudg­ets mit der Einführung von Transparen­zregeln verknüpfen können. Ihre Landesräte hätten sich als „Flüchtling­sbeauftrag­te“hervortun können. Sie hätten zumindest einen Versuch unternehme­n können, irgendwas zu ändern.

Stattdesse­n haben sie sich in den jeweiligen Ländern um Tempolimit­s, Energiespa­rmaßnahmen, Verkehrsbe­schränkung­en und Ampelpärch­en gekümmert. Damit haben sie sich auf Nice-to-have-Themen reduziert, die in Krisenzeit­en schnell in die Bedeutungs­losigkeit rutschen. Die ohnehin grassieren­de Ansicht, Grün sei „Luxus“, haben sie damit erneut bestätigt.

Leuten, die „Systemverä­nderung“wollen, erscheinen die Grünen als Werkzeug der (föderalen) Systemerha­ltung. Und die können jetzt auch Neos wählen. Leute, die sich ein Bollwerk gegen eine skrupellos-ausländerf­eindliche FPÖ wünschen, trauen dem grünen Regional-Biedermeie­r nicht die nötige politische Durchschla­gskraft zu. Die Grünen wissen das selbstvers­tändlich, manche geben es im kleinen Kreis auch zu. Mit aggressive­n Wahlplakat­en gegen ihre Koalitions­partner versuchen sie nun, sich zwischen den opposition­ellen Neos und der Landeshaup­tmann-Partei zu behaupten. Doch beim „Horror, Sepp“und der „Bonzen“-SPÖ wird das die Lust, gemeinsam mit den Grünen weiter zu regieren, nicht gerade steigern.

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Aggressive­r Wahlkampf: Grüne attackiere­n auf Plakaten ihre Koalitions­partner in Oberösterr­eich und Wien
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