Kurier

Der Machtkampf bei der Lufthansa

Piloten. Streiks können das Billig-Konzept nicht verhindern

- VON ANDREA HODOSCHEK

Beide Seiten sind geschwächt. Nachdem der härteste Arbeitskam­pf in der 60-jährigen Geschichte der Lufthansa vergangene Woche von einem Gericht gestoppt wurde, brauchen sowohl Management als auch Pilotengew­erkschaft eine Nachdenkpa­use. Man will wieder miteinande­r reden, hat aber noch keine Termine.

Der 13. Streik in Folge seit April 2014 hat niemandem etwas gebracht. Wieder 140.000 betroffene und verärgerte Passagiere. Für das Unternehme­n diesmal ein Schaden von 35 Millionen Euro, womit sich die Streikwell­e schon auf 335 Millionen Euro summiert. Die Macht der Pilotengew­erkschaft „Vereinigun­g Cockpit“ist angeschlag­en, aber auch Konzernche­f Carsten Spohr ist angezählt. Der Unmut der Kunden, dass der Vorstand die Auseinande­rsetzung mit den 5400 Piloten nicht in den Griff bekommt, wird immer größer. Sieger sehen anders aus. Spohr ist wild entschloss­en, Europas größten Luftfahrtk­onzern um eine Billig-Airline zu erweitern. Nur so sieht er langfristi­g eine Überlebens­chance für die Traditions­airline. Konkurrent­en wie Ryanair, easyJet und die staatliche­n Carrier vom Golf fliegen der Lufthansa längst davon. Selbst etablierte Mitbewerbe­r haben eine höhere Rendite.

Während der Aktienkurs der Ryanair auf Rekordhöhe segelt, muss die Lufthansa darum zittern, ob sie überhaupt noch im Frankfurte­r Leitindex DAX bleiben kann oder im September aus dem elitären Klub von Deutschlan­ds Großuntern­ehmen f liegt. Ryanair ist an der Börse derzeit mehr als 16 Milliarden Euro wert – drei Mal soviel wie der Lufthansa-Konzern.

Die Kunden seien nicht mehr bereit, die Gehalts- und Pensionspr­ivilegien der Lufthansa-Piloten zu bezahlen, tönt Spohr. Weil die Zinsen so niedrig sind, musste das Unternehme­n die Rückstellu­ngen für die Pilotenpen­sionen um 50 Prozent auf 7,2 Milliarden Euro aufstocken. „Dann ist aber auch die Frage erlaubt, ob die Kunden bereit sind, die Privilegie­n unseres Vorstandes zu zahlen: Gehalt, Glaspalast, Dienstwage­n, Gratisflüg­e in der First Class für die gesamte Familie“, empört sich ein Pilot. Der hemdsärmel­ige Ryanair-Boss Michael O’Leary residiert in einem Container am Flughafen Dublin. Spohr will keine Piloten mehr nach den Lufthansa-Tarifvertr­ägen anstellen. Das ist für die Flugzeugfü­hrer fatal. Der Bereich, in dem das hohe Lohngefüge samt Altersvors­orge gilt, schrumpft damit.

Derzeit zahlt die Lufthansa ihren Co-Piloten 65.000 Euro Grundgehal­t zum Einstieg. Nach zehn Jahren bekommen sie 105.000 Euro. Ein Kapitän beginnt mit 136.000 Euro und bringst es nach zehn Jahren auf 189.000 Euro.

Die Macht der Pilotengew­erkschaft endet allerdings an der Landesgren­ze. Weshalb Spohr die Zentrale der konzernint­ernen Billig- Konkurrenz Eurowings in Wien etablierte. Im Herbst werden die ersten zwei Eurowings-Flugzeuge zur sanierten – oder doch noch nicht so richtig sanierten – AUA überstellt und von Crews der österreich­ischen Tochter geflogen. Spohr lockt mit weiteren Flugzeugen für Wien. Schon 2016 soll die gesamte Eurowings-Flotte hundert Flieger umfassen. Mit dem neuen Kollektivv­ertrag hat die AUA die niedrigste­n Gehälter im ganzen Konzern. Ein frisch gefangener Co-Pilot steigt mit 53.000 Euro ein. Kapitäne kommen nach zehn Jahren auf maximal 99.000 Euro Grundlohn. Plus in etwa 17 Prozent für Überstunde­n. Österreich rollt Eurowings den roten Teppich aus. Wenige Tage vor dem letzten Streik war Spohr auf Besuch bei bei Wirtschaft­sminister Reinhold Mitterlehn­er. „Sehr konstrukti­v“soll die Gesprächsa­tmosphäre gewesen sein.

Mitterlehn­er avisierte dem darob sehr erfreuten Lufthansa-Boss die Streichung – oder zumindest die Reduzierun­g– der heftig kritisiert­en Ticketsteu­er. Die außer Österreich nur noch Deutschlan­d einhebt. Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling ist willig. Unklar ist freilich, wie der Ausfall von 100 Millionen kompensier­t werden soll.

Passagiere müssen auf der Kurzstreck­e sieben Euro, auf der Mittelstre­cke 15 und auf der Langstreck­e 35 Euro Abgabe zahlen. Davon profitiert der Airport Bratislava, von Wien aus komfortabe­l in einer knappen Stunde erreichbar. Ryanair zählt in Bratislava bereits acht Millionen Passagiere.

Mitterlehn­er darf übrigens als kleines Dankeschön im November den ersten Jet der neuen AUA-Embraer-Flotte taufen. Der Name steht schon fest: „Central Europe“.

andrea.hodoschek@kurier.at

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Die Lufthansa will keine Piloten mehr im KonzernTar­ifvertrag anstellen. Davon profitiert die wesentlich billiger fliegende AUA
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