Kurier

Schlechte Zeiten, gute Zeiten

- WOLFGANG WINHEIM wolfgang.winheim@kurier.at

Borussia Mönchengla­dbach muss ohne Martin

Stranzl, 35, in die Champions League starten. Bruch des Augenhöhle­nbogens beim 0:3 gegen den HSV. Stranzls Mitspieler sagen über den Burgenländ­er, der wegen Knieproble­men schon den Bundesliga­beginn versäumte, nach dessen unglücklic­hem Comeback das gleiche wie davor. „Er ist unser wichtigste­r Mann.“

Marcel Koller brauchte sich um ein Teamcomeba­ck des wichtigste­n Borussen, der sich unter Koller-Vorgänger Diet

mar Constantin­i zum Adieu entschloss­en hatte, nie bemühen. Zumal Koller mit Dragovic, Hinteregge­r, Prödl, Wimmer über genug Jüngere fürs Abwehrzent­rum verfügt.

Koller konnte sich auch leisten, ohne Spieler von Meister Salzburg und Europa-LeagueStar­ter Rapid auszukomme­n.

Selbst die U-21, deren 4:3Sieg gegen Russland in der Euphorie ums 4:1 in Schweden unterging, profitiert von JungLegion­ären, die Koller großzügig dem U-21-Coach Werner

Gregoritsc­h überlassen kann. Mit Koller kam der richtigen Mann zur richtigen Zeit. Einer, der sich als Ausländer von keinem Platzhirsc­hen beeinfluss­en lässt und ein geschickte­s Händchen hinsichtli­ch Menschenfü­hrung haben muss. Fast ebenso wichtig wie Kollers Kommen fürs Nationalte­am aber war, dass von den Vereinen aus der (finanziell­en) Not eine Jugend gemacht wurde; und

dass mit Dragovic, Junuzovic,

Baumgartli­nger, Fuchs nunmehrige Leistungst­räger des EM-Starters als Minderjähr­ige ein Leiberl bei Austria und Mattersbur­g bekamen.

Zu Zeiten, als ein schulpflic­htiger Martin Stranzl in ei

ner Übersiedlu­ng zu 1860 München die einzige Chance auf eine erfolgvers­prechende Fußball-Ausbildung sah, hatte hierzuland­e noch Großmannsu­cht über langfristi­ge Planung dominiert.

Da wurden mit Geld, das man gar nicht besaß, von Wien, Graz bis Innsbruck teure Routiniers importiert;

da wurden Jugendleis­tungszentr­en (wie sie Franzosen und Schweizer schon besaßen) als überflüssi­g betrachtet;

da mussten bis zu vier Rapid-Nachwuchst­eams zugleich auf einem einzigen Kunstrasen­platz in Hütteldorf trainieren;

da liefen pro Bundesliga-Elf bis zu neun, zehn nicht fürs Team Spielberec­htigte ein;

da musste der damalige Unter-21-ÖFB-Teamchef Ernst

Weber in den Regionalli­gen auf Spielersuc­he gehen.

„Gebt unseren Jungen end- lich ein Chance. Erst wenn sie in unserer Liga auffallen, wird man sie ins Ausland holen“, flehte Weber damals und ärgerte sich, wenn seine Worte fälschlich als Ausländerf­eindlichke­it interpreti­ert wurden. Zumal lieber Konjunktiv­stars aus Ex-Jugoslawie­n geholt als Migranten-Kinder vor der eigenen Haustür forciert wurden. Weil sich bei Letzteren nicht so gut „mitschneid­en“ließ.

Mittlerwei­le besteht das halbe Nationalte­am (wie in anderen Ländern) aus Spielern mit Migrations­hintergrun­d. Weber erlebt das Aufgehen seiner Prognose nicht mehr. Der Idealist hatte sich wenige Monate vor Kollers Kommen für den Freitod entschiede­n.

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Pechvogel. Stranzl (l.) im Duell gegen Hamburgs Torjäger Lasogga
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