Kurier

Alles, was Keith Richards kann

Der Stones-Gitarrist bringt sein drittes Solo-Album heraus.

- VON GUIDO TARTAROTTI

Das Album beginnt mit schnarrend­en Gitarrensa­iten und einem bis auf die Knochen entkleidet­en AkustikBlu­es: „I got a crosseyed heart“. Fast glaubt man, das Knistern einer alten Plattenril­le zu hören. Es ist nicht da, aber fast. Dann, nach knapp zwei Minuten, bricht Keith Richards mitten im Lied ab und raunt: „That’s all I got.“

Das ist so ein besonderer Rock-’n’-Roll-Moment. Ähnlich dem, wenn Neil Young auf dem Live-Album „Year Of The Horse“einem Konzertbes­ucher, der ihm „They all sound the same!“entgegenbr­üllt, extra kühl antwortet: „It’s all one song.“Es ist alles ein Lied, das macht Neil Young aus. Und das macht Keith Richards aus: ein paar reduzierte Blues-Akkorde. Mehr hat er nicht. Mehr braucht er auch nicht.

(Das Grinsen und das Augenzwink­ern kann man auch beinahe hören, denn er widerspric­ht sich ja sofort mit dem nächsten Song, dem fiebrig dahinhetze­nden Wüsten-Rocker „Heartstopp­er“. Und dann geht es genauso aufregend weiter, mit „Amnesia“, das klingt, als wäre Bob Dylan bei ZZ Top eingestieg­en.)

Dylan

Überhaupt: Bob Dylan. Der kommt einem als Reverenz immer wieder in den Sinn, beim Hören dieses Albums. Dylans geisterhaf­tes Spätwerk, diese zwischen Sentiment und Schroff heit angesiedel­ten Sichtungen der amerikanis­chen Musiktradi- tion. Richards bestätigt im Interview mit Uncut, dass er Dylan als Kollegen (er verwendet das englische Wort „peer“) betrachtet: „Ich liebe Bob!“Obwohl dieser meist unsichtbar sei.

„Crosseyed Heart“ist Richards’ drittes Soloalbum, sein erstes seit 1992. Produziert hat sein alter Kumpel Steve Jordan, die meisten Instrument­e spielte Richards selbst. Die Einf lüsse reichen von Blues über Reggae und Soul bis zu Stones-Rock, und wie zu erwarten sind ein paar Balladen zu viel drauf. Der ehemalige Sängerknab­e Richards ist ja ein begeistert­er Crooner, seine nikotinbet­riebene Stimme ist ideal für Stücke wie „Goodnight Irene“, das bei ihm klingt wie ein verkaterte­r Gospel.

Ein schönes Duett mit Norah Jones gibt es auch, Aaron Neville gibt ein Gastspiel, und zum letzten Mal ist Richards’ verstorben­er Freund Bobby Keys am Saxofon zu hören. Das Ergebnis ist ein inspiriert­es Album, das auch nach dem Abzug des Ehrfurchts-Bonus (so ca. nach dem dritten Hören) immer noch gut klingt.

Richards kündigt an, mit den Rolling Stones nächstes Jahr ins Studio zu gehen, falls er Mick Jagger dazu überreden kann. „Er mag es nicht, ständig mit mir zu arbeiten, aber er will auch nicht, dass ich mit jemand anderem arbeite“, sagte Richards dem Magazin Mojo. „Er ist in dieser Hinsicht ein bisschen eifersücht­ig.“Auch eine weitere Stones-Tour sei für 2016 geplant, und vielleicht dazwischen ein paar Shows mit seiner Solo-Band.

Die vormalige wandernde Apotheke Richards sieht mit 71 gesünder aus als mit 50. „Ich bin ziemlich nüchtern heutzutage“, erklärte er Mojo. Um sofort, imagegerec­ht, hinzuzufüg­en, dass er nie auf den Frühstücks-Joint verzichte. Sein Überlebens­rezept? Gelassenhe­it.

„Wenn du in meinem Alter die Dinge zu ernst nimmst, bist du erledigt.“

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Keith Richards im Büro: „Wenn du in meinem Alter die Dinge zu ernst nimmst, bist du erledigt“
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Erstes Solo-Album seit 1992: „Crosseyed Heart“

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