Jeder ist ein Wirtschaftsflüchtling
Noch knapp dreieinhalb Monate bis Silvester – aber schon stapeln sich die Einreichungen zum deutschen Unwort des Jahres. Glaubt man der „Lügenpresse“( Sieger 2014), gelten heuer, neben dem Miesmenschen-Schimpfwort „Gutmenschen“, vor allem die eiskaltherzigen Begriffe „Asylantenflut“und „Wirtschaftsf lüchtlinge“als heiße Favorits.
„Asylantenflut“entmenschlicht nämlich das üble Schicksal gepeinigter Artgenossen zur gottgewollten, unausweichlichen Naturkatastrophe und blendet damit das, zutiefst irdische, Verursacherprinzip – sprich: die Mitverantwortung – aus.
Und „Wirtschaftsf lüchtling“ist überhaupt eine sprachgewordene Sauerei.
Denn: Das ist ausnahmslos jeder Einzelne von „uns“, auch „wir“Österreicher.
Landsleute in der Nähe meines Jahrgangs ( 1957) kennen (und gebrauchen sogar noch!) die Wendung „Auf Lepschi gehen“– das steht für „Fortgehen, um sich zu vergnügen“& kommt vom tschechischen „lepší“, was so viel wie „besser“heißt. Man geht dorthin, wo es einem besser geht.
So blieb Kicker David Alaba 2002, mit zehn Jahren und tausend Talenten, nicht beim Donaustädter Unterligisten „SV Aspern“, sondern ging zur Austria und zum FC Bayern. So verließ Werkzeugmacher Frank Stronach 1954 Weiz und „Elin“mit 200 Dollar im Sack Richtung Kanada. So wechselte Christoph Waltz 2009 mit gebührendem Appetit auf Oscars schnöde von Wien nach Hollywood. Pfui? Nein!
Das Streben nach Glück ist ein Menschen- und Wirtschaftsflüchtlingsrecht.