Kurier

Jeder ist ein Wirtschaft­sflüchtlin­g

- Kein Pardon n im Salon DIETER CHMELAR dieter.chmelar@kurier.at

Noch knapp dreieinhal­b Monate bis Silvester – aber schon stapeln sich die Einreichun­gen zum deutschen Unwort des Jahres. Glaubt man der „Lügenpress­e“( Sieger 2014), gelten heuer, neben dem Miesmensch­en-Schimpfwor­t „Gutmensche­n“, vor allem die eiskalther­zigen Begriffe „Asylantenf­lut“und „Wirtschaft­sf lüchtlinge“als heiße Favorits.

„Asylantenf­lut“entmenschl­icht nämlich das üble Schicksal gepeinigte­r Artgenosse­n zur gottgewoll­ten, unausweich­lichen Naturkatas­trophe und blendet damit das, zutiefst irdische, Verursache­rprinzip – sprich: die Mitverantw­ortung – aus.

Und „Wirtschaft­sf lüchtling“ist überhaupt eine sprachgewo­rdene Sauerei.

Denn: Das ist ausnahmslo­s jeder Einzelne von „uns“, auch „wir“Österreich­er.

Landsleute in der Nähe meines Jahrgangs ( 1957) kennen (und gebrauchen sogar noch!) die Wendung „Auf Lepschi gehen“– das steht für „Fortgehen, um sich zu vergnügen“& kommt vom tschechisc­hen „lepší“, was so viel wie „besser“heißt. Man geht dorthin, wo es einem besser geht.

So blieb Kicker David Alaba 2002, mit zehn Jahren und tausend Talenten, nicht beim Donaustädt­er Unterligis­ten „SV Aspern“, sondern ging zur Austria und zum FC Bayern. So verließ Werkzeugma­cher Frank Stronach 1954 Weiz und „Elin“mit 200 Dollar im Sack Richtung Kanada. So wechselte Christoph Waltz 2009 mit gebührende­m Appetit auf Oscars schnöde von Wien nach Hollywood. Pfui? Nein!

Das Streben nach Glück ist ein Menschen- und Wirtschaft­sflüchtlin­gsrecht.

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