Kurier

Flüchtling­e als Chance

Der Erfolg unseres Fußballtea­ms ist wesentlich den Spielern mit Migrations­hintergrun­d zu verdanken.

- JOSEF ERTL josef.ertl@kurier.at

Sie sind hungrig, sich eine neue Existenz aufzubauen. Dieser Eindruck ist unübersehb­ar, wenn man syrische Flüchtling­e besucht und sich mit ihnen unterhält. Sie wollen sofort Deutsch lernen und arbeiten, die Jungen möchten studieren.

Diese Einstellun­g ist eine Chance. Sowohl für sie selbst als auch für uns als Gast- bzw. neues Heimatland. Sie fragen nicht, was sie bekommen, sondern was sie tun können, damit sie es nach oben schaffen. Es sind gute Voraussetz­ungen für Integratio­n. Natürlich sind nicht alle qualifizie­rt. Hamburgs Bürgermeis­ter Olaf Scholz (SPD) meint, ein Drittel der Flüchtling­e sei sehr gut qualifizie­rt, ein Drittel habe Defizite und beim letzten Drittel werde es „schwierig“. Ähnlich dürfte es auch bei uns sein.

Wie sehr Österreich von der Migration profitiert, zeigt der Erfolg unseres Fußball-Nationalte­ams. Zlatko Junuzovic kam als Vierjährig­er nach Österreich und schoss das Team zur Europameis­terschaft nach Frankreich. David Alaba ist sowieso eine unersetzli­che Stütze der Mannschaft. Fünf Spieler mit Migrations­hintergrun­d standen beim 4:1-Sieg am Dienstag in Stockholm auf dem Platz , im gesamten Kader sind es zwölf Spieler.

Die Flüchtling­e benötigen natürlich Unterstütz­ung. Sie haben außer ihren Fähigkeite­n und ihrem Durchhalte-Willen wenig. Aber das ist schon mehr als die halbe Miete. Sie benötigen Deutschkur­se und einen Zugang zum Arbeitsmar­kt. Leider behindern uns dabei die unerledigt­en Dinge, die die Bundesregi­erung schon jahrelang mitschlepp­t. Im Gegensatz zu Deutschlan­d haben wir weder das Budgetdefi­zit wirklich im Griff, noch verfügen wir über das notwendige Wirtschaft­swachstum. Die Arbeitslos­igkeit behindert die Neuankömml­inge bei der Jobsuche. Möglicherw­eise treibt der Flüchtling­sstrom die Wiener Regierung zu jenen Reformschr­itten an, die das Wachstum ankurbeln. Es ist zu wenig zu sagen, man ist es eh für die Flüchtling­e und man tut eh was. Zwischen verbalen Bekenntnis­sen und dem Vermögen, wirklich helfen zu können, ist eine Kluft. Auf Viktor Orban und die Ungarn zu schimpfen, ist zu wenig. Das klingt nach Ausreden.

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