Kurier

Im Kino: Fack ju Göhte 2

Wie lustig ist der Alltag in einer Brennpunkt-Schule wirklich?

- VON DANIELA DAVIDOVITS

Er raucht mit den Schülern im Hof, redet mit der ’irektorin, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, und stellt die nervigen Schüler mit der Ansage „Schnauze jetzt!“ruhig. Zeki Müller, der coolste Lehrer seit Robin Williams in „Club der toten ’ichter“, ist wieder da. In „Fack ju Göhte 2“geht er mit seiner Chaos-Truppe auf Höllenfahr­t nach Thailand. ’ort will er dem noblen Schillergy­mnasium die Partnersch­ule ausspannen, um das Image der eigenen Schule zu verbessern. Klar, dass der Trip mit Chantal und ihren Muskelprot­zen nicht so pädagogisc­h wertvoll wird, wie von den Spießern zu Hause geplant.

Nichts in der Schule läuft so, wie man es sich vorgestell­t hat, weiß auch Albrecht Johann aus langjährig­er Erfahrung. Seine 34 Jahre an einer Brennpunkt­Schule in Berlin Kreuzberg hat er jetzt in dem neuen Buch „Rock n Roll und Ramadan – Lehrer aus Überzeugun­g“zusammenge­tragen. Kinder wie Chantal aus dem Film erlebte er täglich – real. Gleich an seinem ersten Schultag: „ Trauen Sie sich, mit mir Armdrücken zu machen?‘, fragte mich Thorsten. Ich hatte meine Zweifel, wollte den Schülern aber ein guter Kumpel sein, und wie kann ich ablehnen, ohne mein Gesicht zu verlieren?“Es kam, wie es kommen musste: ’er Schüler gewann und glaubte, er könnte den Lehrer herumkomma­ndieren. Sein Freund rief Schimpfwör­ter und die anderen warfen mit Papierkuge­ln.

Lehrer haben Angst

Nach wenigen Wochen waren Albrecht Johanns Ambitionen verf logen. Er erinnert sich: „Sie haben mich durchschau­t. Sie haben gespürt, dass ich im Grunde Angst vor ihnen hatte. So wie viele Lehrer. So ein schwacher Lehrer, das muss man einfach ausnützen.“

Heute weiß der antiautori­täre Alt-68er, was das Problem war: „Ich konnte mich nicht abgrenzen, nicht rechtzeiti­g Nein sagen. Ich wollte ihre Zuneigung und deshalb zögerte ich zu sehr mit Strafen und Zurechtwei­sungen.“

In seiner ersten eigenen Klasse versammelt­en sich die schrägsten Typen. Sie bewarfen ihre frühere Lehrerin mit Cola’osen, bis sie weinend hinauslief, und drehten eine Spritztour mit dem Auto eines Handwerker­s rund um die Schule, nur weil der die Schlüssel stecken gelassen hatte. Im Streit mit dem ’irektor verteidigt­e er seine „Underdogs gegen die Obrigkeit“. Er verstand sich gut mit den Schülern, wie ein Freund, inklusive Klassenfes­t in der WG des jungen Lehrers. In seinem Unterricht durften sie die Füße am Tisch lassen. Johann: „Ich kam mir vor wie der Boss einer Bande von Gettokids und war auch stolz darauf.“

„Wahnsinnig geworden?“

Aber der Preis für diese lockere Haltung in der Klasse war hoch: „Bei den anderen, strengeren Kollegen waren sie ständig frech und forderten die gleichen Privilegie­n. Legten Feuer, versprühte­n Buttersäur­e im Chemieun- terricht, stritten sich bei der Exkursion mit der Museumsauf­seherin. Irgendwann reichte es: „Ich stürmte in die Klasse und schrie: Seid ihr wahnsinnig geworden? Warum erlaubt ihr euch solche Gemeinheit­en mit Frau B.?‘ Sie kannten mich nicht so wütend und entschloss­en. Ich auch nicht.“

In den 80er-Jahre brach eine intensive ’iskussion über das Setzen von Grenzen und Konsequenz­en aus. Auch jene Lehrer riefen bei Fehlverhal­ten die Eltern an, die früher gesagt hatten „Ich verpetz doch nicht meinen Schüler“, beobachtet­e Johann.

Sein Verständni­s machte ihn zu einem beliebten und akzeptiert­en Lehrer. Manchmal stellte er sich jedoch die Frage, ob er die Schüler nicht mehr Respekt leh- ren müsste, damit sie sich am Arbeitsmar­kt an die Spielregel­n halten. ’ie Appelle einer Jobberater­in, die mit ihnen über Bewerbunge­n reden wollte, verhallten ungehört. ’ie Aufmerksam­keitsspann­e seiner Schüler war begrenzt: „Länger als 30 Minuten ließ sich kein Unterricht­sgespräch führen. ’azu reichte ihre ’isziplin nicht, auch ich brauchte eine Verschnauf­pause.“

Kleine Erfolgserl­ebnisse

Für manche Schüler war das Bewältigen eines Arbeitsbla­ttes ein Kraftakt. ’ie Lehrbücher waren für sie schwer verständli­ch, „aber es gab keine einfachere­n.“’azu kamen noch die Probleme, die sie von zu Hause mitbrachte­n. So erlebte er die sozialen Schattense­iten einer Gettoschu- le. Einer seiner Lieblingss­chüler wurde beim ’rogenschmu­ggeln erwischt. Eine Schülerin wurde in der Türkei zwangsverh­eiratet. Aber eine andere entschied sich später für ein selbstbest­immtes Leben mit einem Handwerksb­eruf. Ebenso ein Erfolg für ihn war die Stunde über die französisc­he Revolution: Plötzlich entwickelt sich ein Rollenspie­l und alle verstanden, worum es wirklich geht.“Hochgefühl für einen Lehrer, wenn er den Kids den Horizont ein wenig erweitern kann.

Eine solche Sternstund­e erlebt auch Zeki Müller am Strand von Thailand: „Wir haben jetzt den Roman gelesen – den mit der Faust“, berichten ihm Chantal und ihre Freunde stolz. „Aber der ist verrückt, dieser Reclam.“

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Sieben Millionen Zuseher lachten über Lehrer Zeki Müller. Seine Probleme haben aber auch echte Pädagogen
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34 Jahre war Albrecht Johann Lehrer in einer Berliner Schule. Nun erscheint sein Buch

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