Kurier

Die Lehren zwei Jahre nach dem Amoklauf

Annaberg. Schock ist noch nicht überwunden

- VON WOLFGANG ATZENHOFER, PATRICK WAMMERL UND JOHANNES WEICHHART

In der Nacht auf den 17. September 2013 hatte der Wilderer Alois Huber drei Polizisten und einen RotkreuzSa­nitäter in Annaberg (NÖ) erschossen und sich später in Großpriel bei Melk selbst gerichtet. Der Schock ist zwei Jahre nach den Taten in der Heimat des Mörders nicht überwunden. Sein Freund Herbert Huthansl sagt im KURIER-Gespräch, dass es nicht so hätte kommen müs- sen. Die Polizei hatte jedenfalls ihre Lehren zu ziehen. In einem Evaluierun­gsbericht wurden Empfehlung­en abgegeben. Noch sind nicht alle umgesetzt. Die Anschaffun­g gepanzerte­r Fahrzeuge scheiterte bisher am Geld. Im Rahmen des 290-Millionen-Euro Sicherheit­spaktes im Kampf gegen den Terror sollen die Panzerwage­n aber demnächst bestellt werden.

„So hätte das alles nicht kommen müssen. Der Wahnsinn beschäftig­t mich heute immer noch sehr.“

Emotionen, Kritik und auch Selbstzwei­fel kommen beim pensionier­ten Unternehme­r Herbert Huthansl hoch, wenn er sich an die Tragödie von Annaberg vor zwei Jahren erinnert. In der Nacht auf den 17. September 2013 hatte sein bester Freund Alois Huber drei Polizisten und einen Rotkreuz-Sanitäter erschossen und sich später daheim in Großpriel bei Melk selbst gerichtet.

„Ich bin der Wilderer, den sie so lange suchen“, hatte der 55-jährige Huber dem Freund am Morgen am Telefon gestanden. „Als er gesagt hat, dass er die vielen Jagdhütten angezündet und in Annaberg Polizisten erschossen hat, wurde mir der Boden unter den Füßen weggezogen“, erinnert sich Huthansl. Für ihn ist es noch immer nicht fassbar, dass die Verfolgung eines Wilderers durch die Polizei in einer derartigen Katastroph­e enden musste.

Ermittlung­slücken im Vorfeld und ohne Schutzausr­üstung agierende Beamte bei der Wildererja­gd hätten vermieden werden müssen, meint Huthansl. Das Leid, dass der Transportu­nternehmer Huber über Familien gebracht hat, sei unverzeihl­ich.

Freundscha­ft

Dennoch: „Wenn ich auch diese versteckte kriminelle Ader nie akzeptiere, wir hatten eine gute Freundscha­ft“, erklärt er. Hätte ihn Huber eingeweiht und ihm das Lager mit Hunderten illegalen Wildtrophä­en und gestohlen Waffen im Kellerbunk­er gezeigt, „ich hätte ihm geholfen die Sachen wegzuschaf­fen und ein normales Leben zu beginnen.“Huthansl war auch einer von sechs Personen, die am Urnenbegrä­bnis Hubers teilnahmen. Gelegentli­ch schaut er am Grab in Melk vorbei.

Die Zähigkeit, Energie und kaltblütig­e Planung mit der der Wilderer seine Taten und schließlic­h den Vierfachmo­rd beging, gibt der Jägerschaf­t in der Region heute noch Rätsel auf. Diskutiert wird noch öfter, berichtet der leidenscha­ftliche Jäger Huthansl. Etwa, warum manche Kameraden von Huber nicht bestohlen wurden, woher ein paar Dutzend Motorradhe­lme oder Damenschuh­e in seinem Beutelager stammten oder wo er die Heereswaff­e STG77 her hatte, mit der er auf die Opfer schoss.

In Großpriel und im Nachbarort Kollapriel bleibt das Drama ein unvergesse­nes Thema. Aktuell sorgt Hubers früheres Anwesen für Ge-

sprächssto­ff, weil neue Nachbarn einziehen. Die Villa, die vor zwei Jahren von der Cobra mit Panzer-Unterstütz­ung gestürmt wurde, wird gerade eingericht­et.

Eltern

Im ebenfalls vom selben Privatmann gekauften alten Hof daneben leben Hubers Eltern. Den Tränen nahe gesteht dessen Vater Alois: „Ich denke oft nach und kann die halbe Nacht nicht schlafen.“Sein gesamtes Lebenswerk sei weg, hätte er sich nicht vom Sohn das Wohnrecht am Hof schriftlic­h fixieren lassen, „uns ginge es genauso wie den vielen Flüchtling­en gerade“, sagt der 87-Jährige.

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Die Villa des Vierfachmö­rders hat den Besitzer gewechselt
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Von Kollapriel aus stürmte die Cobra das Haus von Alois Huber
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