Die Lehren zwei Jahre nach dem Amoklauf
Annaberg. Schock ist noch nicht überwunden
In der Nacht auf den 17. September 2013 hatte der Wilderer Alois Huber drei Polizisten und einen RotkreuzSanitäter in Annaberg (NÖ) erschossen und sich später in Großpriel bei Melk selbst gerichtet. Der Schock ist zwei Jahre nach den Taten in der Heimat des Mörders nicht überwunden. Sein Freund Herbert Huthansl sagt im KURIER-Gespräch, dass es nicht so hätte kommen müs- sen. Die Polizei hatte jedenfalls ihre Lehren zu ziehen. In einem Evaluierungsbericht wurden Empfehlungen abgegeben. Noch sind nicht alle umgesetzt. Die Anschaffung gepanzerter Fahrzeuge scheiterte bisher am Geld. Im Rahmen des 290-Millionen-Euro Sicherheitspaktes im Kampf gegen den Terror sollen die Panzerwagen aber demnächst bestellt werden.
„So hätte das alles nicht kommen müssen. Der Wahnsinn beschäftigt mich heute immer noch sehr.“
Emotionen, Kritik und auch Selbstzweifel kommen beim pensionierten Unternehmer Herbert Huthansl hoch, wenn er sich an die Tragödie von Annaberg vor zwei Jahren erinnert. In der Nacht auf den 17. September 2013 hatte sein bester Freund Alois Huber drei Polizisten und einen Rotkreuz-Sanitäter erschossen und sich später daheim in Großpriel bei Melk selbst gerichtet.
„Ich bin der Wilderer, den sie so lange suchen“, hatte der 55-jährige Huber dem Freund am Morgen am Telefon gestanden. „Als er gesagt hat, dass er die vielen Jagdhütten angezündet und in Annaberg Polizisten erschossen hat, wurde mir der Boden unter den Füßen weggezogen“, erinnert sich Huthansl. Für ihn ist es noch immer nicht fassbar, dass die Verfolgung eines Wilderers durch die Polizei in einer derartigen Katastrophe enden musste.
Ermittlungslücken im Vorfeld und ohne Schutzausrüstung agierende Beamte bei der Wildererjagd hätten vermieden werden müssen, meint Huthansl. Das Leid, dass der Transportunternehmer Huber über Familien gebracht hat, sei unverzeihlich.
Freundschaft
Dennoch: „Wenn ich auch diese versteckte kriminelle Ader nie akzeptiere, wir hatten eine gute Freundschaft“, erklärt er. Hätte ihn Huber eingeweiht und ihm das Lager mit Hunderten illegalen Wildtrophäen und gestohlen Waffen im Kellerbunker gezeigt, „ich hätte ihm geholfen die Sachen wegzuschaffen und ein normales Leben zu beginnen.“Huthansl war auch einer von sechs Personen, die am Urnenbegräbnis Hubers teilnahmen. Gelegentlich schaut er am Grab in Melk vorbei.
Die Zähigkeit, Energie und kaltblütige Planung mit der der Wilderer seine Taten und schließlich den Vierfachmord beging, gibt der Jägerschaft in der Region heute noch Rätsel auf. Diskutiert wird noch öfter, berichtet der leidenschaftliche Jäger Huthansl. Etwa, warum manche Kameraden von Huber nicht bestohlen wurden, woher ein paar Dutzend Motorradhelme oder Damenschuhe in seinem Beutelager stammten oder wo er die Heereswaffe STG77 her hatte, mit der er auf die Opfer schoss.
In Großpriel und im Nachbarort Kollapriel bleibt das Drama ein unvergessenes Thema. Aktuell sorgt Hubers früheres Anwesen für Ge-
sprächsstoff, weil neue Nachbarn einziehen. Die Villa, die vor zwei Jahren von der Cobra mit Panzer-Unterstützung gestürmt wurde, wird gerade eingerichtet.
Eltern
Im ebenfalls vom selben Privatmann gekauften alten Hof daneben leben Hubers Eltern. Den Tränen nahe gesteht dessen Vater Alois: „Ich denke oft nach und kann die halbe Nacht nicht schlafen.“Sein gesamtes Lebenswerk sei weg, hätte er sich nicht vom Sohn das Wohnrecht am Hof schriftlich fixieren lassen, „uns ginge es genauso wie den vielen Flüchtlingen gerade“, sagt der 87-Jährige.