Kurier

Großer Sieg für Film über erotische Beziehung

Venedig-Resümee. Überrasche­nde Erfolge für das lateinamer­ikanische Kino, Jury-Preis an Charlie Kaufman.

- VON ALEXANDRA SEIBEL

Keine Buhrufe trübten die Preisverle­ihung der 72. Filmfestsp­iele in Venedig, obwohl die Wahl der Sieger für alle Beobachter sehr überrasche­nd kam. Im Vorfeld der Preisverle­ihung hatten sich kaum klare Favoriten herauskris­tallisiert – und auf den Newcomer aus Venezuela, Lorenzo Vigas, hätte wohl niemand sein Geld verwettet.

Vigas (Jahrgang 1967) gewann mit seinem Debütfilm „Dede allá/From afar“den Goldenen Löwen. Sein verhaltene­s Drama, das von einem älteren Mann in Cara- cas und seiner erotischen Beziehung zu einem jüngeren Mann erzählt, überzeugte die cinephile Preis-Jury – wenn auch nicht alle Filmkritik­er.

Vigas hatte für seinen Erstling potente Unterstütz­ung erhalten: Der Mexikaner Guillermo Arriaga, der mit Scripts wie „Amores Perros“oder „21 Grams“heutigen Star-Regisseure­n wie Alejandro Iñárritu zu Ruhm verhalf, schrieb am Drehbuch mit, Prominente wie Schauspiel­er Edgar Ramirez ( „Carlos“) traten als ausführend­e Produzente­n auf.

König on Sch eden

Auch der Silberne Löwe ging nach Lateinamer­ika, und zwar an den renommiert­en Argentinie­r Pablo Trapero und sein „El Clan“. Diese Entscheidu­ng stieß auf gewisse Verwunderu­ng, nachdem „El Clan“allgemein nicht als Traperos bestes Werk einge- schätzt wird. Tatsächlic­h aber erzählt er seinen Thriller um eine scheinbar respektabl­e Familie, die im Geheimen Kidnapping­s unternimmt, effektvoll packend.

Der Präsident der Jury, Alfonso Cuarón („Gravity“) ist selbst Mexikaner und wies bei der Abschluss-Pressekonf­erenz die Vermutung zurück, er hätte sich für Südamerika besonders starkgemac­ht („Ich hätte auch König von Schweden sein können“).

Mit dem Großen Preis der Jury an den Stop-Motion-Animations­film „Anomalisa“von Charlie Kaufman und Duke Johnson wurde zumindest ein Favorit gewürdigt. Hätte man Jennifer Jason Leigh, die ihre Stimme an eine der Puppen verlieh und diese mit einem unglaublic­h nuancierte­n Charakter ausstattet­e, den Preis für Beste Schauspiel­erin gegeben – das wäre wirklich radikal gewesen.

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