Todesstiche im AMS: Täter setzt auf Notwehr
Mordprozess. Streit bei Deutschkurs um Musik-Verbot im Islam eskalierte. 17-Jähriger will Angst gehabt haben.
Ein Streit um die Frage, ob der Islam die Musik verbietet, führte im März zu tödlichen Messerstichen. Am Donnerstag musste sich ein 17-jähriger Asylwerber im Wiener Landesgericht wegen Mordes verantworten.
Reshad Z. kam Ende 2013 mit Mutter und Schwester aus Afghanistan nach Wien und besuchte einen Deutschkurs beim AMS, um seinen Hauptschulabschluss nachzuholen. Er höre keine Musik, sagte er dort, das sei ein Verstoß gegen den Koran.
„Islam-Wissenschaftler sagen, davon steht kein Wort im Islam“, erklärte Richter Norbert Gerstberger: „Es steht auch von der Burka nichts drinnen.“Warum der Angeklagte denn nicht zu denken anfange, dazu habe ihm Allah doch „ein Gehirn gegeben.“Ähnliches muss sich auch der 31-jährige Kursteilnehmer – ein Musiker – gedacht haben, der Reshad Z. zur Rede stellte: „Eine Religion, die ihm seine Musik verbiete, würde er ficken“, soll er laut Anklage gesagt und den 17-Jährigen damit erzürnt haben.
Dieser kam tags darauf mit zwei Messern zum Kurs und fiel wortlos über den 31Jährigen her, der gerade am Gang telefonierte. Das Opfer starb noch am Tatort, es hinterließ zwei kleine Kinder.
Notwehrversion
Hatte Reshad Z. ursprünglich ausgesagt, beleidigt gewesen zu sein, weil der Kontrahent seine Familie beleidigt hatte, drehte er seine Verantwortung im Prozess um. Das habe ihm gar nichts ausgemacht, aber der andere habe ihm gedroht. „Jetzt kommt gleich die Notwehrversion“, mutmaßte der Richter und sollte recht behalten.
„Er drohte mir an, dass er es mir draußen zeigen werde“, behauptete der Angeklagte. Als der 31-Jährige auf ihn losgegangen sei, habe er „aus Angst große Augen bekommen“. Im Panik habe er auf dessen Hand stechen wollen, damit er loslasse, aber er habe seinen Bauch erwischt.
Messer brach ab
Er selbst wurde bei der Abwehr des angeblichen Angriffs nicht verletzt, seinem Opfer aber fügte er 17 Schnitte und Stiche zu, bis das eine Messer in der Schulter stecken blieb und abbrach. Lunge, Leber, Magen und Zwerchfell des Opfers waren angestochen.
„Plötzlich hörte ich einen Schrei. Wie wenn sich jemand vom Leben verabschiedet“: So beschrieb ein AMSTrainer als Zeuge das Sterben des 31-Jährigen. 40 Minuten kämpfte der Mann vergeblich um sein Leben. „Ich hab’ noch auf ihn eingeredet, so wie man das von Filmen her kennt, dass ich seine Musikvideos kenne“, sagte der Zeuge.
Der Prozess wurde vertagt, dem Beschuldigten drohen bis zu 15 Jahre Haft.