Kurier

Angeklagte im Terrorproz­ess lüftete erst nach Erlaubnis des Mannes ihren Schleier

- – RICARDO PEYERL

IS-Anklage. Déjà-vu im Wiener Landesgeri­cht: Vor sieben Jahren wollte die damals 21-jährige (inzwischen getrennte) Frau des IS-Mitbegründ­ers Mohamed Mahmoud im Terrorproz­ess ihren Gesichtssc­hleier nicht ablegen. Bei Mona S. war wenigstens die Augenparti­e zu sehen, der Richter schloss sie trotzdem von der Verhandlun­g aus: „Wir sind kein Gottesstaa­t.“

Am Donnerstag saß wieder eine 21-Jährige mit Schleier auf der Anklageban­k, bei Iman J. blieben nicht einmal die Augen unverdeckt. Richter Daniel Rechenmach­er stellte in Aussicht, in ihrer Abwesenhei­t zu verhandeln, sollte sie ihr Gesicht nicht zeigen. Erst nach Ermahnunge­n ihrer Anwältin Alexandra Cervinka und als ihr mitangekla­gter Ehemann (nach islamische­m Recht) Sergo P. seine Zustimmung gab, lüftete die junge Frau den Schleier.

In Gang kam der Prozess damit aber noch lange nicht. Zunächst weigerten sich der 20-Jährige und die 21-Jährige, sich bei der Vereidigun­g der Schöffen („Sie schwören und geloben vor Gott“) zu erheben. Wieder musste der Richter erst in den Raum stellen, die Angeklagte­n des Saales zu verweisen, bis diese aufstanden. Wobei der Mann erneut bestimmte, was zu tun sei. Die Frau folgte.

Schließlic­h begann die, wegen angeblich ständig drohender Zusammenbr­üche im Rollstuhl sitzende, ebenfalls angeklagte Mutter von Sergo P. laut zu stöhnen, ließ den Kopf zurückfall­en und musste von einer anwesenden Ärztin behandelt werden. Der Richter wollte sie schon zurück in die Justizanst­alt bringen lassen („Wenn Sie mir hier alle fünf Minuten hyperventi­lieren, bringt das ja nichts“). Doch die 39-jährige Ann B. (von Lennart Binder verteidigt) weinte und wollte unbedingt dicht neben ihrem Sohn sitzen bleiben.

Gruppenmor­al

Staatsanwä­ltin Stefanie Schön wirft den gebürtigen Tschetsche­nen Beteiligun­g an einer terroristi­schen Vereinigun­g vor. Sie hätten im Juli 2014 versucht, mithilfe eines Schleppers über die Türkei nach Syrien zu gelangen, um sich dort der TerrorMili­z Islamische­r Staat anzuschlie­ßen. Konkreter wurde die Staatsanwä­ltin nicht. Aus der Anklagesch­rift kann man sich aussuchen, ob sie sich „am bewaffnete­n Kampf, durch logistisch­e Unterstütz­ungshandlu­ngen, finanziell oder auf sonstige Art und Weise durch Stärkung der Gruppenmor­al“hatten beteiligen wollen.

Die Angeklagte­n versichert­en, sie wären nur deshalb in die Türkei gefahren, um in Istanbul die Dienste eines Heilers in Anspruch zu nehmen. Dieser hätte die kranke Mutter behandeln sollen, nachdem sie in der UBahn wieder einen Zusammenbr­uch erlitten hatte. Man habe sich dabei eines Schleppers bedient, weil sie keine Visa hatten. Bei Sergo P. gefundenes IS-Propaganda­material spricht freilich gegen die Verantwort­ung.

In der Türkei war die Gruppe in eine Polizeikon­trolle geraten, in Schubhaft genommen und schließlic­h nach Österreich zurückgesc­hickt worden. Iman J. war zu diesem Zeitpunkt hochschwan­ger und brachte in der U-Haft einen Sohn zur Welt, den sie Osama nannte. Die Urteile fallen nächste Woche.

Newspapers in German

Newspapers from Austria