Verkauf in Österreich gestartet: Das kann die Apple Watch
Smartwatch. Top oder Flop? Der KURIER hat die Apple-Uhr einem Langzeittest unterzogen.
Die Sicherheitsbeamtin am Flughafen Wien Schwechat schaute zunächst ungläubig. Auf die Aufforderung hin, die Bordkarte herzuzeigen, bekam sie diese auf dem Display der neuen Apple-Uhr angezeigt. Nach der kurzen Schrecksekunde nahm sie die digitale Bordkarte lächelnd zur Kenntnis und wollte mehr über die smarte Uhr wissen. Den Durchgang zum Gate hatte der Träger dabei längst hinter sich gelassen. Denn dem Lesegerät beim Eingang war es naturgemäß egal, ob der QR-Code der Bordkarte in Papierform, auf dem Handy oder eben auf der Uhr hingehalten wird.
Später Marktstart
Das Einchecken am Flughafen ist nur ein Szenario, das mit den smarten Uhren bald Standard wird. Geht es nach Apple und anderen Herstellern wird der Minicomputer am Handgelenk zum persönlichen Assistenten, der nicht nur den Herzschlag und den Kalorienverbrauch beim Joggen misst, sondern auch den Weg zum nächsten Termin findet und die Geldbörse im Geschäft ersetzt.
In Österreich ist Apple spät dran. Während andere Hersteller wie Samsung, Motorola, LG, Sony und Pebble längst mit ihren Geräten auf dem Markt sind, kommt die Apple Watch nun mit fünf Monaten Verspätung endlich auch hierzulande auf den Markt. Sie ist ab sofort über den Apple Shop online und diverse Apple-Händler verfügbar. Darüber hinaus planen auch eine große Elektronikkette sowie die Mobil- funker, die Uhr unter die Leute zu bringen. Kritiker sind bis heute gespalten, ob die Smartwatch Apples erster gelungener Schritt in das Computing der Zukunft oder einfach ein unnötiges, überteuertes Hightech-Spielzeug ist. Der KURIER hat die Uhr ausgiebig getestet.
Die größte Stärke der Watch ist ihre Vielseitigkeit. Wie herkömmliche Uhren zeigt sie Zeit, Datum, aber auch das aktuelle Wetter an. Über die mehr als 8500 verfügbaren Apps kann die Uhr auch zum Telefonieren, als Kalender, Navigationsinstrument oder fürs Fitness-Training verwendet werden. Auch der Empfang und das Versenden von SMS, eMails und anderen Nachrichten kann über die Uhr abgewickelt werden. Die App iTranslate übersetzt gesprochene Sätze in 90 Sprachen. Meist sind es die kleinen Dinge, die man nach längerem Gebrauch nicht missen möchte. Wenn man von einer erratisch fahrenden Buslinie in Wien abhängig ist, macht es definitiv mehr Spaß über die App One2Go auf der Uhr zu prüfen, ob sich das Rennen zur Bushaltestelle auszahlt, als im Laufen das Handy zücken zu müssen.
Das rechteckige Design, das an eine Patek Philippe Uhr aus den 1970er-Jahren angelehnt sein soll, ist Geschmackssache. In der Umsetzung und Verarbeitung leistet sich Apple aber keine Schwächen. Selbst die Einsteigermodelle fühlen sich hochwertig an. Das Drehrad wirkt wie die physische Seitentaste filigran im Design, ist wie sämtliche Teile der Uhr gleichzeitig aber robust.
Der hochauflösende Bildschirm der Apple Watch besticht durch ausgezeichnete Farben und gute Lesbarkeit. Selbst kleinste Schriften sind gestochen scharf, die Textgröße kann zudem angepasst werden. Der Berührungssensor für das Auswählen von Apps funktioniert zumeist tadellos, durch den begrenzten Platz des Displays kann es allerdings vorkommen, dass man die gewünschte Anwendung beim Auswählen mit dem Finger nicht trifft.
Alternativ zur Eingabe mit dem Finger kann man sich auch mit dem Drehrad in Anwendungen hineinzoomen bzw. nach oben und nach unten scrollen. Die Bedienung mittels Touch, Drehrad und Seitenknopf bleibt aber auch nach wochenlanger Nutzung eine Herausforderung. Da gewisse Wischbewegungen und unterschiedliche Druckstärken auf das Display nur in manchen Apps funktionieren, wischt und klickt man teilweise unkoordiniert herum, um zum Ziel zu gelangen.
Wer die Uhr kaufen will, hat die Qual der Wahl. Allein das Einsteiger-Modell, die Apple Watch Sport mit Aluminiumgehäuse ist in zwölf Modellen ab 399 Euro erhältlich. Die Edelstahlvariante mit härterem Saphirglas gibt es ab 649 Euro und in 20 Modellen. Die goldüberzogene Watch Edition beginnt bei astronomischen 11.000 Euro. Wer auf Preis/Leistung setzt, kommt an der Sport-Variante nicht vorbei. Das Innenleben ist bei allen Modellen gleich. Den Langzeit-Test des KURIER überstanden das günstigere Aluminium-Gehäuse sowie das Ion-X-Glas zudem ohne nennenswerte Kratzer. Im Vergleich zur Konkurrenz ist die Apple Watch mit einem 38- und einem 42-Millimeter-Modell auf der kleineren Seite. Auch Männer mit schmalem Handgelenk können folglich bedenkenlos zur größeren Variante greifen. Wer die Möglichkeit hat, sollte die Uhr vor dem Kauf aber in einem Geschäft ausprobieren.
Größtes Manko, das sich die Uhr aber auch mit anderen Smartwatches teilt, ist die Abhängigkeit von einem leistungsstarken Smartphone. Um die Apple Watch nutzen zu können, ist zumindest ein iPhone 5 notwendig. Da viel Rechenarbeit auf dem Smartphone passiert und die entsprechenden Informationen hin- und hergeschickt werden müssen, kommt es bei manchen Anwendungen zu spürbaren Verzögerungen. Die Akkulaufzeit von ein bis zwei Tagen fällt in der Praxis nicht so stark ins Gewicht, traditionelle Uhrenträger könnten sich daran aber jedenfalls stoßen.