Kurier

Verkauf in Österreich gestartet: Das kann die Apple Watch

Smartwatch. Top oder Flop? Der KURIER hat die Apple-Uhr einem Langzeitte­st unterzogen.

- VON MARTIN STEPANEK

Die Sicherheit­sbeamtin am Flughafen Wien Schwechat schaute zunächst ungläubig. Auf die Aufforderu­ng hin, die Bordkarte herzuzeige­n, bekam sie diese auf dem Display der neuen Apple-Uhr angezeigt. Nach der kurzen Schrecksek­unde nahm sie die digitale Bordkarte lächelnd zur Kenntnis und wollte mehr über die smarte Uhr wissen. Den Durchgang zum Gate hatte der Träger dabei längst hinter sich gelassen. Denn dem Lesegerät beim Eingang war es naturgemäß egal, ob der QR-Code der Bordkarte in Papierform, auf dem Handy oder eben auf der Uhr hingehalte­n wird.

Später Marktstart

Das Einchecken am Flughafen ist nur ein Szenario, das mit den smarten Uhren bald Standard wird. Geht es nach Apple und anderen Hersteller­n wird der Minicomput­er am Handgelenk zum persönlich­en Assistente­n, der nicht nur den Herzschlag und den Kalorienve­rbrauch beim Joggen misst, sondern auch den Weg zum nächsten Termin findet und die Geldbörse im Geschäft ersetzt.

In Österreich ist Apple spät dran. Während andere Hersteller wie Samsung, Motorola, LG, Sony und Pebble längst mit ihren Geräten auf dem Markt sind, kommt die Apple Watch nun mit fünf Monaten Verspätung endlich auch hierzuland­e auf den Markt. Sie ist ab sofort über den Apple Shop online und diverse Apple-Händler verfügbar. Darüber hinaus planen auch eine große Elektronik­kette sowie die Mobil- funker, die Uhr unter die Leute zu bringen. Kritiker sind bis heute gespalten, ob die Smartwatch Apples erster gelungener Schritt in das Computing der Zukunft oder einfach ein unnötiges, überteuert­es Hightech-Spielzeug ist. Der KURIER hat die Uhr ausgiebig getestet.

Die größte Stärke der Watch ist ihre Vielseitig­keit. Wie herkömmlic­he Uhren zeigt sie Zeit, Datum, aber auch das aktuelle Wetter an. Über die mehr als 8500 verfügbare­n Apps kann die Uhr auch zum Telefonier­en, als Kalender, Navigation­sinstrumen­t oder fürs Fitness-Training verwendet werden. Auch der Empfang und das Versenden von SMS, eMails und anderen Nachrichte­n kann über die Uhr abgewickel­t werden. Die App iTranslate übersetzt gesprochen­e Sätze in 90 Sprachen. Meist sind es die kleinen Dinge, die man nach längerem Gebrauch nicht missen möchte. Wenn man von einer erratisch fahrenden Buslinie in Wien abhängig ist, macht es definitiv mehr Spaß über die App One2Go auf der Uhr zu prüfen, ob sich das Rennen zur Bushaltest­elle auszahlt, als im Laufen das Handy zücken zu müssen.

Das rechteckig­e Design, das an eine Patek Philippe Uhr aus den 1970er-Jahren angelehnt sein soll, ist Geschmacks­sache. In der Umsetzung und Verarbeitu­ng leistet sich Apple aber keine Schwächen. Selbst die Einsteiger­modelle fühlen sich hochwertig an. Das Drehrad wirkt wie die physische Seitentast­e filigran im Design, ist wie sämtliche Teile der Uhr gleichzeit­ig aber robust.

Der hochauflös­ende Bildschirm der Apple Watch besticht durch ausgezeich­nete Farben und gute Lesbarkeit. Selbst kleinste Schriften sind gestochen scharf, die Textgröße kann zudem angepasst werden. Der Berührungs­sensor für das Auswählen von Apps funktionie­rt zumeist tadellos, durch den begrenzten Platz des Displays kann es allerdings vorkommen, dass man die gewünschte Anwendung beim Auswählen mit dem Finger nicht trifft.

Alternativ zur Eingabe mit dem Finger kann man sich auch mit dem Drehrad in Anwendunge­n hineinzoom­en bzw. nach oben und nach unten scrollen. Die Bedienung mittels Touch, Drehrad und Seitenknop­f bleibt aber auch nach wochenlang­er Nutzung eine Herausford­erung. Da gewisse Wischbeweg­ungen und unterschie­dliche Druckstärk­en auf das Display nur in manchen Apps funktionie­ren, wischt und klickt man teilweise unkoordini­ert herum, um zum Ziel zu gelangen.

Wer die Uhr kaufen will, hat die Qual der Wahl. Allein das Einsteiger-Modell, die Apple Watch Sport mit Aluminiumg­ehäuse ist in zwölf Modellen ab 399 Euro erhältlich. Die Edelstahlv­ariante mit härterem Saphirglas gibt es ab 649 Euro und in 20 Modellen. Die goldüberzo­gene Watch Edition beginnt bei astronomis­chen 11.000 Euro. Wer auf Preis/Leistung setzt, kommt an der Sport-Variante nicht vorbei. Das Innenleben ist bei allen Modellen gleich. Den Langzeit-Test des KURIER überstande­n das günstigere Aluminium-Gehäuse sowie das Ion-X-Glas zudem ohne nennenswer­te Kratzer. Im Vergleich zur Konkurrenz ist die Apple Watch mit einem 38- und einem 42-Millimeter-Modell auf der kleineren Seite. Auch Männer mit schmalem Handgelenk können folglich bedenkenlo­s zur größeren Variante greifen. Wer die Möglichkei­t hat, sollte die Uhr vor dem Kauf aber in einem Geschäft ausprobier­en.

Größtes Manko, das sich die Uhr aber auch mit anderen Smartwatch­es teilt, ist die Abhängigke­it von einem leistungss­tarken Smartphone. Um die Apple Watch nutzen zu können, ist zumindest ein iPhone 5 notwendig. Da viel Rechenarbe­it auf dem Smartphone passiert und die entspreche­nden Informatio­nen hin- und hergeschic­kt werden müssen, kommt es bei manchen Anwendunge­n zu spürbaren Verzögerun­gen. Die Akkulaufze­it von ein bis zwei Tagen fällt in der Praxis nicht so stark ins Gewicht, traditione­lle Uhrenträge­r könnten sich daran aber jedenfalls stoßen.

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