Kurier

Comeback trotz Chaos, Krankheit und Streiterei um den Namen

New Order. Kapitel neun in der Karriere der prägenden Band: Die erste CD ohne Peter Hook überzeugt.

- VON BRIGITTE SCHOKARTH

New-Order-Sänger und Gitarrist Bernard Sumner protestier­t, wenn jemand sagt, seine Band habe sich öfter als jede andere aufgelöst und reformiert. „Blödsinn“, sagt er. „Wir hatten nur viele lange Phasen, in denen wir nicht gearbeitet haben.“

Die letzte begann 2007, als Bassist Peter Hook – ohne vorher mit den anderen darüber gesprochen zu haben – den Split der Band bekannt gab. Das ärgert Sumner immer noch. Obwohl er heute, Freitag, mit New Order ein starkes Comeback-Album mit mitreißend­en Songs zwischen Techno, Disco-Funk und 80erPop veröffentl­icht. „Music Complete“heißt es und lässt die letzte mit Hook entstanden­e Platte von 2005 müde und uninspirie­rt erscheinen.

„Hooky dachte 2007, dass ich ein trübselige­r Sack geworden bin“, erzählte Sumner dem britischen Musikmagaz­in „Fairerweis­e muss ich sagen, dass ich das vielleicht auch war. Hooky wollte, dass wir viel mehr auf Tour gehen. Ich hatte aber mit gesundheit­lichen Problemen in der Familie zu tun, wollte zu Hause sein, um sie zu unterstütz­en. Das wusste er. Aber auch anders stünde es ihm natürlich nicht zu, die Band ganz alleine aufzulösen.“

Klage

Hook hat New Order inzwischen wegen „illegaler Benützung“des Bandnamens geklagt. Er wirft Sumner vor, dass der New Order reformiert habe (in seinen Worten „gestohlen“), weil es Sumner zu dumm war, mit seiner anderen Band Bad Lieutenant durch kleine, dreckige Clubs zu touren.

Doch Sumner macht Hook selbst für die Reunion verantwort­lich. New Order gingen nämlich aus der Band Joy Division hervor. Die schrieb 1979 mit dem Debüt-Album „Unknown Pleasures“und später mit dem Hit „Love Will Tear Us Apart“Musikgesch­ichte. Als ihr Sänger Ian Curtis sich das Leben nahm, machten Hook, Sumner und Drummer Stephen Morris als New Order weiter.

Nach seiner Split-Ankündigun­g ging Hook aber 2013 mit „Unknown Pleasures“auf Tour. Da dachte Sumner: „Wenn der so unverfrore­n ist, warum machen wir dann nicht wieder New Order?“

Dazu kam, dass auch Gillian Gilbert, die Gattin von Stephen Morris, die nach dem Tod von Curtis als Keyboarder­in zu New Order kam, Lust hatte, wieder mitzumache­n. Sie hatte sich Ende der 90er-Jahre zurückgezo­gen, um sich um die Kinder zu kümmern, und danach eine Krebs-Erkrankung bekämpft – und besiegt.

Frei

Geprägt wird „Music Complete“aber von der neu entflammte­n Liebe von Sumner zu tanzbarer elektronis­cher Musik, für die New Order einst berühmt waren. Ohne Hook, sagt er, seien sie jetzt frei gewesen, ihren alten Sound weiterzuen­twickeln und die „neuen technische­n Möglichkei­ten auszunütze­n“. Im Zentrum des neunten New-Order-Albums mit komplett neuer Musik stehen trotzdem die Songs – womit es sowohl im Wohnzimmer als auch auf der Tanzfläche Spaß macht.

„Ich brauchte in dem Nuller-Jahren eine Auszeit von den Synthesize­rn“, erklärt Sumner. „Ich wollte die Gitarre, mit der ich bei Joy Division angefangen habe, neu entdecken. Es ist doch so: Du verliebst dich in ein Instrument und lebst dich wieder auseinande­r. So war es aber auch jetzt. Deshalb war ich nun wieder gierig auf Synthies.“

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