Wenn Bosnier in Tirol Mozart unterrichten
Bereicherung. Man schätzt jemanden wegen seines Könnens, nicht wegen seiner Herkunft
Seine zarte Akkordeontöne und besondere Spielweise waren in seinem Land sehr gefragt. Konzerte, Studio-Aufnahmen. Er heiratete seine Jugendliebe, die Beziehung wurde gekrönt mit einem süßen Sohn. Sie kaufte sich eine neue, wertvolle Geige, eine kleine italienische mit einem weichen Klang. Sie hatten eine schöne Wohnung, liebevoll eingerichtet. Sie führten ein glückliches, geregeltes Leben, bis eines Tages ...
Nach einem Knall lag der Körper des Eineinhalbjährigen leblos auf dem Boden. „Hilfe, Hilfe! Kann uns jemand helfen?“schrie die Frau. Dass geschah in Sarajevo, Bosnien-Herzegowina 1992.
Szenenwechsel
„Die Herkunft entscheidet in keiner Weise darüber, ob man in einem Land wie Österreich erfolgreich wird oder nicht. Man schätzt jemanden wegen seines Könnens, nicht wegen seiner Herkunft. Wichtig ist nur, sich mit Menschen zu umgeben, die einen verstehen. Und wenn man dann fleißig arbeitet, kommt alles andere von selbst“, sagt Dina Krilić, legt ihren Mantel und ihre Geige ab, und blickt aus dem Fenster ihrer Küche in Imst auf die vernebelten Tiroler Alpen.
Die Violinistin ist gerade von einem Konzert im Innsbrucker Rathaus zurückgekommen, wo sie am Vormittag gemeinsam mit ihrem Mann bei einer kleiner Feier gespielt hat. „Solche Sachen machen wir immer wieder, oft auch als Familie“, lacht die gebürtige Bosnierin in ihrem zu Hause in Imst. „Mein Mann spielt Akkordeon, ich Geige und der Sohn die Bassgitarre.“Und auch der Percussionist Emir Handzo stammt aus Bosnien.
Mit Großen des Fachs auf Augenhöhe
Offiziell trägt diese Formation den Namen „Salon Balkan“und hat sich in Innsbrucker Raum gut etabliert, aber auch international; in Italien, Deutschland, Ungarn, Frankreich, wohin sie zu diversen Festivals immer wieder eingeladen werden. Auf dem Spielplan dabei stehen klassische Gattungen wie Walzer oder Tango, aber auch orien- talisch angehauchte und vom bosnischen Sevdah geprägte, auch eigene Kompositionen. Was nicht wundert, denn Dinas Ehemann Edo war im früheren Jugoslawien einer der gefragtesten Akkordeonspieler und leitete in Sarajevo das bosnische Rundfunkorchester. „Wenn er mit seinem Akkordeon auf der Bühne verschmilzt, dann ist er mit den ganz Großen seines Faches auf einer Ebene“, erzählt begeistert Andrea BubikSchöpf, die langjährige Obfrau des berühmten Imster Artklubs. Und fügt hinzu: „Es hat sich schnell herauskristallisiert, dass Dina und Edo Ausnahmemusiker sind und für Imst und seine Bewohner eine absolute Bereicherung des kulturellen Lebens.“
Gespür für die Kleinsten
Seit Langem arbeiten Edo und Dina auch an Schulen in Imst, Pitztal und Ötztal, wo sie Geige bzw. Akkordeon unterrichten. Dina hat auch eine Violinschule verfasst, mit speziell auf Kinder abgestimmten didaktischen Übungen, Edo hat ein Akkordeonbuch mit eigenen Kompositionen herausgegeben. „Ist schon lustig, wenn Kindern im Ötztal von einer Bosnierin Mozart nähergebracht wird, oder?“, lacht Dina. Dann ist Mittagszeit im Hause Krilić, und danach wird wieder geprobt. Das bosnische Ehepaar stimmt einen argentinischen Tango an, zwischendurch wird aber auch ein Hauch Orient hörbar. Und langsam lichtet sich der Nebel, der die Bergspitzen verhüllt, und die Sonne kommt durch.