Kurier

Europa ist endlich aufgewacht

- MARGARETHA KOPEINIG

Bei den Krisentref­fen wurden Tabus und nationale Egoismen gebrochen, die EU zeigt Handlungsf­ähigkeit.

Die wochenlang­e Müdigkeit der EU in der Migrations­politik ist weg. Die Mehrheitse­ntscheidun­g der Innenminis­ter über die faire Verteilung von Flüchtling­en und der Gipfel der Staats- und Regierungs­chefs haben gezeigt, was möglich ist, wenn die dramatisch­en Umstände Leadership erzwingen. Einig ist man sich in Brüssel auch darüber, dass zu dem Flüchtling­skompromis­s maßgeblich Berlin und Wien, also Merkel und Faymann, beigetrage­n haben.

Der Ansturm von Asylwerber­n auf die Mitte Europas ist natürlich nicht gestoppt, die humanitäre Krise nicht gelöst, die Ursachen der Flucht, wie der Krieg in Syrien, längst nicht beseitigt. Aber: Für die Weiterentw­icklung der EU ist der Notstand eine Chance. „Der Mehrheitsb­eschluss für die Aufteilung von 120.000 Schutzsuch­enden in der ganzen EU ist zwar ein kleiner Schritt. Damit wurden Türen geöffnet, Tabus gebrochen und Hemmschwel­len überschrit­ten“, analysiert Daniel Gros, Leiter des bekannten Brüsseler Thinktanks Centre for Euro

pean Policy Studies.

Was heißt das konkret? In der heiklen Frage Asylpoliti­k hat man nicht ewig gewartet, bis alle dafür sind, sondern agiert. Eine große Gruppe von Ländern ist vorangegan­gen und hat das Mehrheitsp­rinzip durchgeset­zt. Die vereinbart­e Aufteilung der Flüchtling­e ist natürlich die Quote, auch wenn das Reizwort vermieden wird. Und letztendli­ch hat die Entscheidu­ng die extremen Politiker wie Orbán und Fico entlarvt: Nach außen hin spielen sie die frechen Populisten, im Kreise der EU-Kollegen, also im Europäisch­en Rat, sind sie zahm.

Wenn es darauf ankommt, schafft die EU zwei Dinge: Sie trifft die richtigen Entscheidu­ngen und spielt den demokratie­politische­n Dompteur.

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