Mekka: Mehr als 700 Tote bei Massenpanik
Pilgerreise in die Katastrophe: Gläubige wurden beim Hadsch niedergetrampelt
Es ist das schlimmste Unglück bei der islamischen Pilgerfahrt Hadsch seit mehr als 25 Jahren: Mindestens 717 Menschen kamen bei einer Massenpanik vor den Toren von Mekka ums Leben, 873 Gläubige wurden verletzt.
Das Unglück ereignete sich an einer Straßenkreuzung in dem Ort Mina – außerhalb der Dschamarat-Brückenkonstruktion, wo die symbolische Teufelssteinigung stattfindet. Entlang dieser Route ziehen die Pilgermassen in Richtung einer fünfstöckigen Brücke, wo sie Steine auf Säulen werfen, die den Teufel darstellen. Eine Pilgergruppe, die den Ort verlassen wollte, sei dort auf eine andere Gruppe getroffen, erklärte ein Sanitäter. Dabei sei ein Stau entstanden, und es sei zu Gedränge gekommen. Zahlreiche Menschen stürzten und wurden von den nachdrängenden Pilgermassen zu Tode getrampelt. „Der Strom der Pilger stoppte plötzlich“, zitiert eine saudische Internetseite einen Augenzeugen. „Es dauerte nur wenige Minuten, bis von hinten die nächste Gruppe kam.“
4000 Sanitäter im Einsatz
Mehr 4000 Sanitäter und 220 Rettungsfahrzeuge waren im Einsatz, um die Verletzten zu versorgen. Die saudi-arabischen Behörden, die anfangs von etwa hundert Toten gesprochen hatten, mussten die Zahl der Opfer mehrfach nach oben korrigieren. Gestern, Donnerstag, Nachmittag meldete der Zivilschutz über Twitter „mindestens 717 Tote“aus verschiedenen Ländern.
Mindestens 43 Opfer stammen aus dem Iran. Der Iran warf Saudi-Arabien schwere Fehler bei den Sicherheitsvorkehrungen vor. Laut dem iranischen Hadsch-Organisator Said Ohadi wurden aus „unbekannten Gründen“zwei Fußwege in der Nähe des Unglücksortes gesperrt. „Das löste diesen tragischen Vorfall aus“, sagte er. „Die saudischen Verantwortlichen sollten haftbar gemacht werden.“
Saudi-Arabiens Behörden hingegen machten mangelnde Disziplin der Pilger für die Katastrophe verantwortlich. Die Gläubigen hätten die Anweisungen von Ordnungshütern ignoriert, sagte Gesundheitsminister Khalid al-Falih. Der Unfall wäre andernfalls zu verhindern gewesen.
Die weltweit 1,5 Milliarden Muslime zelebrierten gestern, Donnerstag, das Opferfest Eid al-Adha, der wichtigste Feiertag für Muslime. Der Tag gilt traditionell als der gefährlichste während dem Hadsch, da Zehntausende Pilger auf engstem Raum ihre Rituale vollziehen. Fast zwei Millionen Menschen nehmen jedes Jahr an der Pilgerfahrt teil.
Immer wieder Unglücke
Der Hadsch wurde in der Vergangenheit mehrfach von schweren Zwischenfällen überschattet. Seit fast einem Jahrzehnt war es wegen verbesserter Sicherheitsvorkehrungen aber zu keinen größeren Unglücken mehr gekommen. Saudi-Arabien hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten Milliarden investiert, umdie Infrastruktur zu verbessern und die Pilgermassen besser lenken zu können. Warum es trotz dieser Maßnahmen zu dem Unglück kam, war zunächst unklar.
Heuer war die Pilgerfahrt schon vor ihrem Beginn von einem verheerenden Unfall überschattet: Am 11. September stürzte ein Baukran auf einen Innenhof der Großen Moschee von Mekka. 107 Menschen starben, etwa 400 wurden verletzt. Dennoch entschieden die Behörden, den Hadsch stattfinden zu lassen.
Die diesjährige Zahl der Todesopfer wird nur von einer Panik im Jahr 1990 übertroffen, als 1426 Pilger offenbar wegen einer ausgefallenen Belüftungsanlage in einem Fußgängertunnel erstickten. Zuletzt waren 2006 an derselben Stelle in Mina bei einer Massenpanik 364 Pilger getötet worden.
Der Hadsch ist das weltweit größte muslimische Pilgerereignis. Laut dem Koran muss jeder Muslim, ob Mann oder Frau, der gesund ist und es sich leisten kann, ein Mal im Leben zur heiligsten Stätte des Islam in Mekka pilgern.