Kurier

Mekka: Mehr als 700 Tote bei Massenpani­k

Pilgerreis­e in die Katastroph­e: Gläubige wurden beim Hadsch niedergetr­ampelt

- VON ALEXANDRA UCCUSIC

Es ist das schlimmste Unglück bei der islamische­n Pilgerfahr­t Hadsch seit mehr als 25 Jahren: Mindestens 717 Menschen kamen bei einer Massenpani­k vor den Toren von Mekka ums Leben, 873 Gläubige wurden verletzt.

Das Unglück ereignete sich an einer Straßenkre­uzung in dem Ort Mina – außerhalb der Dschamarat-Brückenkon­struktion, wo die symbolisch­e Teufelsste­inigung stattfinde­t. Entlang dieser Route ziehen die Pilgermass­en in Richtung einer fünfstöcki­gen Brücke, wo sie Steine auf Säulen werfen, die den Teufel darstellen. Eine Pilgergrup­pe, die den Ort verlassen wollte, sei dort auf eine andere Gruppe getroffen, erklärte ein Sanitäter. Dabei sei ein Stau entstanden, und es sei zu Gedränge gekommen. Zahlreiche Menschen stürzten und wurden von den nachdränge­nden Pilgermass­en zu Tode getrampelt. „Der Strom der Pilger stoppte plötzlich“, zitiert eine saudische Internetse­ite einen Augenzeuge­n. „Es dauerte nur wenige Minuten, bis von hinten die nächste Gruppe kam.“

4000 Sanitäter im Einsatz

Mehr 4000 Sanitäter und 220 Rettungsfa­hrzeuge waren im Einsatz, um die Verletzten zu versorgen. Die saudi-arabischen Behörden, die anfangs von etwa hundert Toten gesprochen hatten, mussten die Zahl der Opfer mehrfach nach oben korrigiere­n. Gestern, Donnerstag, Nachmittag meldete der Zivilschut­z über Twitter „mindestens 717 Tote“aus verschiede­nen Ländern.

Mindestens 43 Opfer stammen aus dem Iran. Der Iran warf Saudi-Arabien schwere Fehler bei den Sicherheit­svorkehrun­gen vor. Laut dem iranischen Hadsch-Organisato­r Said Ohadi wurden aus „unbekannte­n Gründen“zwei Fußwege in der Nähe des Unglücksor­tes gesperrt. „Das löste diesen tragischen Vorfall aus“, sagte er. „Die saudischen Verantwort­lichen sollten haftbar gemacht werden.“

Saudi-Arabiens Behörden hingegen machten mangelnde Disziplin der Pilger für die Katastroph­e verantwort­lich. Die Gläubigen hätten die Anweisunge­n von Ordnungshü­tern ignoriert, sagte Gesundheit­sminister Khalid al-Falih. Der Unfall wäre andernfall­s zu verhindern gewesen.

Die weltweit 1,5 Milliarden Muslime zelebriert­en gestern, Donnerstag, das Opferfest Eid al-Adha, der wichtigste Feiertag für Muslime. Der Tag gilt traditione­ll als der gefährlich­ste während dem Hadsch, da Zehntausen­de Pilger auf engstem Raum ihre Rituale vollziehen. Fast zwei Millionen Menschen nehmen jedes Jahr an der Pilgerfahr­t teil.

Immer wieder Unglücke

Der Hadsch wurde in der Vergangenh­eit mehrfach von schweren Zwischenfä­llen überschatt­et. Seit fast einem Jahrzehnt war es wegen verbessert­er Sicherheit­svorkehrun­gen aber zu keinen größeren Unglücken mehr gekommen. Saudi-Arabien hat in den vergangene­n zwei Jahrzehnte­n Milliarden investiert, umdie Infrastruk­tur zu verbessern und die Pilgermass­en besser lenken zu können. Warum es trotz dieser Maßnahmen zu dem Unglück kam, war zunächst unklar.

Heuer war die Pilgerfahr­t schon vor ihrem Beginn von einem verheerend­en Unfall überschatt­et: Am 11. September stürzte ein Baukran auf einen Innenhof der Großen Moschee von Mekka. 107 Menschen starben, etwa 400 wurden verletzt. Dennoch entschiede­n die Behörden, den Hadsch stattfinde­n zu lassen.

Die diesjährig­e Zahl der Todesopfer wird nur von einer Panik im Jahr 1990 übertroffe­n, als 1426 Pilger offenbar wegen einer ausgefalle­nen Belüftungs­anlage in einem Fußgängert­unnel erstickten. Zuletzt waren 2006 an derselben Stelle in Mina bei einer Massenpani­k 364 Pilger getötet worden.

Der Hadsch ist das weltweit größte muslimisch­e Pilgererei­gnis. Laut dem Koran muss jeder Muslim, ob Mann oder Frau, der gesund ist und es sich leisten kann, ein Mal im Leben zur heiligsten Stätte des Islam in Mekka pilgern.

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Die Unglücksst­elle in Mina: Als es zum Stau kam, brach unter den Pilgern eine Massenpani­k aus
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Pilgermass­en unterwegs zur Teufelsste­inigung

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