Vorwärts in die Vergangenheit
Steirischer Herbst. Das Grazer Künstlerhaus erinnert mit einer wuchtigen Restrospektive an Jörg Schlick
Jörg Schlick, 1951 geboren und 2005 an Knochenkrebs gestorben, war eine zentrale Figur der Grazer Kunstszene, er war Konzept- und Performancekünstler, Maler, Autor, Kurator und Musiker.
Mitte der 1980er-Jahre gründete er mit dem Dramatiker Wolfgang Bauer (ebenfalls 2005 gestorben) und zwei Freunden in der Haring, einer legendären Likörstube, die aberwitzige LordJim-Loge. Das Credo widersprach der normalen Zielsetzung eines Geheimbundes: „Keiner hilft keinem.“
Für eine Ausstellung mit Werken von Martin Kippenberger, Albert Oehlen, Bauer und Schlick entstand, ebenfalls in Alkohol geschwängerter Stimmung, als Gemeinschaftsarbeit das Logo: Eine Sonne mit Hammer und Brüsten. Es bekannt zu machen wie jenes von Coca-Cola wurde Schlicks Konzept: Er gab an die Logenbrüder Stempel aus, Bauer und Kippenberger signierten damit Manuskripte oder Werke. Als Referent für bildende Kunst im Forum Stadtpark brachte Schlick zudem die Zeitschrift „Sonne Busen Hammer“als „Zentralorgan der Lord-Jim-Loge“heraus. Und er schuf zahlreiche Multiples, alle verziert mit dem Logo.
Doch irgendwann wurde die Loge langweilig, die Ironisierung der Konsum- und Warenwelt nutzte sich ab. Zudem starb Kippenberger im Jänner 1997. Schlick fand andere Themen, er veröffentlichte als J.B.Slik einige Platten, er wollte mit Werner Schwab einen Roman schreiben (doch der Autor starb 1994), er arbeitete an der Konzeption des Steirischen Herbstes mit, und 2001 setzte er ein nahezu größenwahnsinniges Projekt um: Er bespielte gleichzeitig 20 Locati- ons mit 1000 Werken, mit Collagen, Installationen, Readymades. Das Schaffen wurde zur Manie, auch die Erkrankung konnte seinen Willen nicht brechen, ein gewaltiges OEuvre fertigzustellen.
Zehnter Todestag
Doch bald nach Schlicks Tod geriet das Werk in Vergessenheit. Denn auch seine Frau, Sabine Achleitner, starb an Krebs. Es entbrannte ein Streit um das Erbe, der Nachlass blieb unter Verschluss. Sandro Droschl, der Leiter des Grazer Künstlerhauses, fasste aber letztes Jahr den Plan, ein Werkverzeichnis zu erstellen. Ihm glückte, auf das gesamte Material zurückgreifen zu können. Und so entstand, rechtzeitig zu Schlicks zehntem Todestag, im Rahmen des Steirischen Herbstes eine beeindruckende Retrospektive
Im Zentrum steht nicht das Logo, sondern die Konfrontation von frühen, nie ausgestellten Serien (1984) mit jenen, die kurz vor dem Tod entstanden (und auch noch nie zu sehen waren). Durch die zwei Jahrzehnte ziehen sich beständig die Vorliebe für die Variation, das Serielle und für glitzernde Materialien. Diese wuchtige Schau zeigt, dass Schlick ein konzises Werk geschaffen hat. Auch wenn ihm nicht der Erfolg vergönnt war, den Freund Kippenberger hatte.
Johannes