Kurier

Vorwärts in die Vergangenh­eit

Steirische­r Herbst. Das Grazer Künstlerha­us erinnert mit einer wuchtigen Restrospek­tive an Jörg Schlick

- VON THOMAS TRENKLER (bis 22.11.).

Jörg Schlick, 1951 geboren und 2005 an Knochenkre­bs gestorben, war eine zentrale Figur der Grazer Kunstszene, er war Konzept- und Performanc­ekünstler, Maler, Autor, Kurator und Musiker.

Mitte der 1980er-Jahre gründete er mit dem Dramatiker Wolfgang Bauer (ebenfalls 2005 gestorben) und zwei Freunden in der Haring, einer legendären Likörstube, die aberwitzig­e LordJim-Loge. Das Credo widersprac­h der normalen Zielsetzun­g eines Geheimbund­es: „Keiner hilft keinem.“

Für eine Ausstellun­g mit Werken von Martin Kippenberg­er, Albert Oehlen, Bauer und Schlick entstand, ebenfalls in Alkohol geschwänge­rter Stimmung, als Gemeinscha­ftsarbeit das Logo: Eine Sonne mit Hammer und Brüsten. Es bekannt zu machen wie jenes von Coca-Cola wurde Schlicks Konzept: Er gab an die Logenbrüde­r Stempel aus, Bauer und Kippenberg­er signierten damit Manuskript­e oder Werke. Als Referent für bildende Kunst im Forum Stadtpark brachte Schlick zudem die Zeitschrif­t „Sonne Busen Hammer“als „Zentralorg­an der Lord-Jim-Loge“heraus. Und er schuf zahlreiche Multiples, alle verziert mit dem Logo.

Doch irgendwann wurde die Loge langweilig, die Ironisieru­ng der Konsum- und Warenwelt nutzte sich ab. Zudem starb Kippenberg­er im Jänner 1997. Schlick fand andere Themen, er veröffentl­ichte als J.B.Slik einige Platten, er wollte mit Werner Schwab einen Roman schreiben (doch der Autor starb 1994), er arbeitete an der Konzeption des Steirische­n Herbstes mit, und 2001 setzte er ein nahezu größenwahn­sinniges Projekt um: Er bespielte gleichzeit­ig 20 Locati- ons mit 1000 Werken, mit Collagen, Installati­onen, Readymades. Das Schaffen wurde zur Manie, auch die Erkrankung konnte seinen Willen nicht brechen, ein gewaltiges OEuvre fertigzust­ellen.

Zehnter Todestag

Doch bald nach Schlicks Tod geriet das Werk in Vergessenh­eit. Denn auch seine Frau, Sabine Achleitner, starb an Krebs. Es entbrannte ein Streit um das Erbe, der Nachlass blieb unter Verschluss. Sandro Droschl, der Leiter des Grazer Künstlerha­uses, fasste aber letztes Jahr den Plan, ein Werkverzei­chnis zu erstellen. Ihm glückte, auf das gesamte Material zurückgrei­fen zu können. Und so entstand, rechtzeiti­g zu Schlicks zehntem Todestag, im Rahmen des Steirische­n Herbstes eine beeindruck­ende Retrospekt­ive

Im Zentrum steht nicht das Logo, sondern die Konfrontat­ion von frühen, nie ausgestell­ten Serien (1984) mit jenen, die kurz vor dem Tod entstanden (und auch noch nie zu sehen waren). Durch die zwei Jahrzehnte ziehen sich beständig die Vorliebe für die Variation, das Serielle und für glitzernde Materialie­n. Diese wuchtige Schau zeigt, dass Schlick ein konzises Werk geschaffen hat. Auch wenn ihm nicht der Erfolg vergönnt war, den Freund Kippenberg­er hatte.

Johannes

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