„Wir haben die Lage im Griff“Landespolizeidirektor Andreas Pilsl.
Die Flüchtlinge setzen durch ihre Massen manches Recht außer Kraft
Andreas Pilsl (46) ist Landespolizeidirektor von Oberösterreich. KURIER: Viele Menschen haben den Eindruck, dass der österreichische Staat mit dem Flüchtlingsstrom überfordert ist. Andreas Pilsl: Ich glaube, dass das so nicht stimmt. Die Institutionen, die damit befasst sind, arbeiten sehr gut. Die Zusammenarbeit der Polizei mit den Hilfsorganisationen, dem Land, dem Feuerwehrkommando und den ÖBB funktioniert perfekt. Aber es hat niemand mit der Dimension und dem Ausmaß gerechnet, das uns da erreicht hat. Das erfordert da und dort unkonventionelle Lösungen. Politische Entscheidungen wie jene der deutschen Bundesregierung führen dazu, dass auch wir ein bisschen ins Schleudern kommen. Jene, die keine Medien konsumieren, würden aber gar nicht merken, dass Tausende Menschen Österreich durchquert haben. Wie geht die Polizei mit den Flüchtlingen ganz konkret um?
Es laufen zuerst einmal alle durch die Hände der Polizei. Die Menschen werden registriert, um sie für das Asylverfahren vorzubereiten. Notfalls können wir sie bis zu 48 Stunden anhalten. Aber die Flüchtlinge, die in den Zügen nach Deutschland sitzen, fahren doch einfach durch?
Unsere Hauptaufgabe ist einerseits, jene Fälle von Menschen, die hier Asyl beantragen, zu bearbeiten und dann in die Grundversorgung zu verbringen. Andererseits müssen wir die öffentliche Ordnung aufrechterhalten und einen reibungslosen Transport von Flüchtlingen ermöglichen. Die wenigsten wollen Asyl in Österreich.
Das sind keine zehn Prozent der Menschen, die nach Österreich kommen. Jene 90 Prozent, die durchreisen wollen, lassen Sie durchreisen.
Bei jenen Leuten, die wir aufgreifen, wird die Identität festgestellt und ein Verfahren geführt. Denn sie halten sich illegal auf. Das ist eine Verwaltungsübertretung und kein Gerichtsdelikt. Wir können und wollen daher die Menschen nicht dauerhaft festhalten. Letztlich werden sie wieder auf freien Fuß gesetzt und aufgefordert, das Land zu verlassen. Theoretisch sind alle Flüchtlinge, die nach Österreich kommen, registriert?
Ja, sie sollten registriert sein und wir machen stichprobenartige Kontrollen. Der Schengenvertrag schreibt vor, dass an den Außengrenzen zu kontrollieren ist und innen der freie Personenverkehr gilt. Wir kontrollieren im grenznahen Raum. Wenn wir feststellen, dass jemand illegal hier ist, gibt es ein Verwaltungsstrafverfahren und die Person kann zurückgeschoben werden. Wie viele Flüchtlinge hat die Polizei heuer bereits registriert?
Tausende. Wenn wir bei der Registrierung feststellen, dass er bereits in einem anderen Land registriert ist, haben wir die Möglichkeit, ihn dorthin abzuschieben. Wir könnten ihn zum Beispiel nach Ungarn zurückschieben. Derzeit nimmt Ungarn nur 80 Menschen pro Tag zurück. Vor der Aussage der deutschen Kanzlerin konnten viel mehr Flüchtlinge nach Ungarn gebracht werden. In Ungarn sind sie wieder freigesetzt worden und die Menschen haben erneut versucht, ihr Glück zu finden. Eine sinnlose Aktion.
Darauf hin haben wir unsere Vorgangsweise über- dacht. Das Verfahren wurde formal und den Flüchtlingen dann gesagt, dass sie das Bundesgebiet zu verlassen haben. Das alles hat uns enorm belastet. Daher haben wir Polizeianhaltestellen und SupportDienststellen, die auf Fremden- und Asylrecht spezialisiert sind, personell extrem verstärkt.
Im Übrigen haben wir heuer bereits rund 100 Schlepper festgenommen und angezeigt. Hier handelt es sich umgerichtlich straf bare Handlungen, also um Verbrechen, die wir konsequent verfolgen. Wie viele Polizisten waren damit beschäftigt?
Rund 120 von insgesamt 3600. Die restlichen 3500 machen ihre ganz normale Tätigkeit. Es wird behauptet, wir würden nur mehr fremdenpolizeilich handeln. Ich sehe das ganz anders. Wir ar- beiten hier auch nur für unsere Bevölkerung, damit alles in geordneten Bahnen abläuft. Im Übrigen ist auch die Kriminalität heuer wieder zurückgegangen. Es ist also alles im Lot.
Jetzt werden die Flüchtlinge in Nickelsdorf und Spielfeld aufgegriffen. Sie wollen weiterreisen, wir sorgen für den Transport. Wenn wir das nicht machen, machen sie sich zu Fuß auf und blockieren die Autobahn und die Schienen. Das alles mit den entsprechenden Unterkünften und der Verpflegung zu koordinieren, läuft für Oberösterreich bei uns hier im Haus
zusammen. Im Schnitt haben wir in Oberösterreich derzeit 2000 bis 3000 Nächtigungen. Der bayerische Innenminister hat sich beschwert, dass er von den Österreichern überhaupt keine Informationen bekommt.
Das ist eine politische Aussage, die ich nicht bestätigen kann. Wir haben ein Verbindungsbüro in Passau eingerichtet, das 24 Stunden am Tag mit einem Bediensteten der Landespolizeidirektion besetzt ist. Die deutsche Bundesregierung hat ohne Vorlaufzeit die Grenzkontrollen eingeführt. Österreich wurde das lediglich drei Stunden vorher mitgeteilt. Wenn es einen Vorlauf von zwei Tagen gegeben hätten, wären auch in Ostösterreich rascher Grenzkontrollen eingeführt worden.
Diese faktische „Einladung“der deutschen Regierung hat die Menschenströme erst verursacht. Hier ist es fast unmöglich, alle Menschen zu registrieren. Es ist doch immer behauptet worden, dass Schengen ein funktionierendes Sicherheitskonzept ist.
Das war es auch. Früher war das kein Problem. Aber jetzt, wo die Dimensionen so riesig sind, wo wir 3000 Personen in einer Nacht in zehn verschiedenen Quartieren unterbringen müssen, funktioniert es nur mehr bedingt. Ich habe zum Beispiel 100 Haftplätze in Oberösterreich. Was mache ich, wenn sie voll sind? Wir sind auf diese Kapazitäten nicht ausgelegt. Führen Sie noch Kontrollen gegen die Schlepper durch?
Natürlich. Wir haben soeben einen Schlepperring ausgehoben. Insgesamt ha- ben wir bereits 100 festgenommen. Wir führen Kontrollen auf der Autobahn durch, meist in Zivilfahrzeugen, und wir gehen Hinweisen nach. Es werden punktuelle Kontrollen durchgeführt, lückenlose Kontrollen machen auch die Deutschen nicht.
Zurzeit kann das Recht nicht überall zu hundert Prozent vollzogen werden, weil es durch die Massen ausgehoben ist. Das nennt man die normative Kraft des Faktischen.
Das Fremdenrecht ist einfachgesetzlich, darüber gibt es noch die Europäische Menschenrechtskonvention im Range der Verfassung. Daher sperrt die Polizei auch keine Frauen und Kinder ein. Selbst wenn das einfach gesetzlich möglich wäre.
Es hat bis heute keinen einzigen Zwischenfall gegeben und wir haben bei der Polizei auch keine schlechte Stimmung. Brauchen Sie mehr Personal?
Nein, wir kommen ganz gut aus. Natürlich geht es punktuell an die Substanz. Ich bin den Bediensteten hier sehr dankbar und stolz auf ihre Arbeit. Dennoch kommen unsere Polizeischüler nun zuerst auf die sieben Support-Stellen, wo sie den Umgang mit den Flüchtlingen kennenlernen und sie ihre Sprachkenntnisse einbringen können. Später bringen diese jungen Bediensteten fremdenpolizeiliche Kompetenz auch in die Fläche hinaus. Hier haben wir einen Nachholbedarf. Was wäre notwendig, damit Sie und die Bevölkerung sagen können, es ist alles im Griff?
Wir haben die polizeiliche Lage im Griff. Es braucht sich keiner fürchten, dass ihm etwas passiert, weil hier Fremde durchreisen. Es gibt polizeilich kein Problem.
Persönlich bin ich für europaweite fixe Quoten, welches Land wie viele Flüchtlinge zu übernehmen hat. Die Aufnahme sollten an den EUAußengrenzen erfolgen. Wenn der Asylantrag positiv beantwortet wird, sollte der Flüchtling fix einem Land zugewiesen werden. Das setzt ein gesamteuropäisches, harmonisiertes Asylwesen voraus.
Damit die Flüchtlinge in den zugewiesenen Ländern bleiben, müssen die Sozialleistungen für sie in allen Ländern gleich sein, also dem Bruttoinlandsprodukt angepasst sein. Ohne diesem wird ein Quotensystem nicht funktionieren. Der Flüchtling darf seine Sozialleistungen nur in dem ihm zugewiesenen Land abrufen.