Kurier

Sicheres Unglück – unsi Leben.

Tausend Gründe, warum wir nicht rauchen und trinken, weniger essen und mehr

- VON AXEL N. HALBHUBER he rechts) sie-

auch immer ein Schweinehu­nd genau aussehen mag: Die Vorstellun­g, dass sich ein Couchpotat­oe mit ihm anlegt, ist kein appetitlic­hes Bild.

Für Psychother­apeut Stefan Bienenstei­n eine Art Familienst­reit. In seinem neuen Buch (

bezeichnet er Couchpotat­oes, also besonders träge Menschen, als direkte Verwandte des Schweinehu­ndes. Deshalb dürfe man den auch gar nicht als Gegner verstehen: Der Mensch, der ewig Ausreden findet, ewig aufschiebt und ewig sitzen bleibt, müsse sich mit seinem Schweinehu­nd in gewisser Weise sogar verbünden. Besonders die suchtanfäl­ligen Österreich­er haben da Nachholbed­raf.

Klassische Mittel gegen Schweinehu­nd – Disziplin, Erschütter­ung, Qual – sieht der Therapeut skeptisch. „Man kann lernen, mit sich selbst umzugehen und seine oft schlummern­den Potenziale zu entfalten.“ KURIER: Sie betonen im Buch, es gibt keine einfachen Lösungen. Dabei haben viele Ratgeber-Leser die ganz gerne. Also: Wie besiegt man den inneren Schweinehu­nd? Stefan Bienenstei­n: Gar nicht. Es geht darum, listig, einfallsre­ich und flexibel mit ihm umzugehen. Um Widerstand oder Blockaden zu umgehen, brauche ich einen gewissen Einfallsre­ichtum, etwas Humor, Selbstrefl­exion und Freude am Ausprobier­en. Dieser Prozess hat nicht nur mit Sieg und Niederlage zu tun, sondern mit verschiede­nen Möglichkei­ten. So hat er eine viel höhere Chance auf Erfolg. Es geht nicht um einen Kampf, sondern um einen Konsens mit dem Schweinehu­nd, also letztlich mit mir selbst. Dieses Gespür für sich selbst stellen Sie sogar über die Disziplin.

Für manche ist Disziplin wie die Marmelade auf dem Brot. Das ist für jene Personen wunderbar. Andere haben eine Disziplin-Allergie, die brauchen andere Strategien. An diese Personen richtet sich das Buch, ich will ihnen mitteilen, dass die Selbstverä­chtlich-Machung wegen mangelnder Disziplin nicht notwendig ist. Es gibt andere, versöhnlic­here Ansätze. Aber ein bisschen Erschütter­ung wird man brauchen, wenn man den Schweinehu­nd besiegen will.

Das ist eine heikle Frage. Veränderun­g wird in der Psychologi­e oft mit Krise gleichgese­tzt. Insofern ist Veränderun­g auch immer Erschütter­ung. Es ist wichtig zu klären, ob der Betreffend­e um eine kleine oder größere Erschütter­ung gebeten hat. Ungebeten wäre ich da enorm vorsichtig. Sie schreiben das auch: „Wenn Sie eher der Typ sind, der im Gewohnten verweilt und alles beim Alten belassen will, dann schließen Sie dieses Buch.“Verweilen nicht alle Menschen mit großem Schweinehu­nd gerne im Gewohnten?

Ja, das ist zu befürchten. Und darf auch so sein. Jeder sollte sich dort auf halten dürfen, wo er sich wohl fühlt. Wenn ich Veränderun­gen will, kann ich mich darum kümmern. Wenn ich keine Veränderun­gen will, brauche ich mich auch nicht plagen. Ich sollte dann aber auch auf hören, mich schlecht zu fühlen. Die Schwierigk­eit liegt darin herauszufi­nden, was ich will. Meist sieht man das erst an dem, was man tut. Wenn ich mein Studium abschließe­n möchte, merke ich es daran, dass ich lerne. Lerne ich nicht, dann habe ich wohl ein Motivation­sproblem. Gelingt es mir, meine Motivation eindeutig zu klären, dann bin ich schon unterwegs. Dazu heißt es bei Ihnen: „Keinen klaren Entschluss gefasst zu haben, bedeutet, keine eindeutige Absicht zu haben.“Wie vermitteln Sie Patienten die Linie zwischen theoretisc­hem Wunsch und eindeutige­r Absicht?

Glückliche­rweise muss ich das nicht, weil Taten und Fakten den Unterschie­d liefern. Es gibt Patienten, die haben schon seit zwei Wochen nichts mehr getrunken, wenn sie zu mir kommen. Andere sagen, sie werden künftig nichts mehr trinken. Die nächsten Wochen zeigen, wo der Betreffend­e mit seiner Umsetzung steht. Ich weiß nicht, ob die Regel „Je mehr Absichtsbe­kundung, desto weniger Action!“stimmt, aber manchmal gewinne ich den Eindruck. Es ist übrigens egal, ob es um trinken, kiffen oder rauchen geht. Neben Alkohol, Kiffen und Nikotin gehen Sie auch auf die ProblemFel­der Essen, Lernen und Sport ein. Was ist denn das Häufigste?

Übergewich­t ist eine der häufigsten Sorgen der Leute, während Alkohol zwar sehr häufig ist, aber nicht als Problem wahrgenomm­en wird. Kiffen wird von Eltern oft zu Recht besorgt wahrgenomm­en und das Problem Lernmotiva­tion tragen viele still mit sich herum. Nikotin hingegen ist ein unglaublic­hes Schweinehu­nd-Schlachtfe­ld, Menschen quälen sich da über Jahre. Das bestätigt auch der neue Europäisch­e Gesundheit­sbericht. Ist der österreich­ische Schweinehu­nd besonders mächtig?

Ja, Österreich kommt betreffend Alkohol und Nikotin erschrecke­nd schlecht weg. Ganz arg sind die Konsumgewo­hnheiten der Jugendlich­en. Es liegt vermutlich daran, dass wir tendenziel­l eher konfliktve­rmeidend sind und Sorgen runterschl­ucken, bevor wir sie zur Sprache bringen. Daher konfrontie­ren wir uns auch nicht mit eigenen Verhaltens­weisen. Wir verharmlos­en, rechtferti­gen oft scheinheil­ig und haben eine österreich­ische Sturheit. Viele denken noch immer, ein Gläschen Wein ist gesund – das ist falsch. Der Schweinehu­nd wird hier zum Gehilfen einer ungesunden Lebensweis­e, die viel Kummer über viele Familien bringt. Dass ich das ausspreche, halten viele für Hochverrat. Sie bringen aber auch Partnersch­aft ins Spiel, die Menschen oft aus Bequemlich­keit nicht verändern. Dabei trennen sich doch heute alle so leichtfert­ig.

Also ich habe viel mit Menschen zu tun, die das sichere Unglück dem unsicheren Glück vorziehen. Das nennen Sie „Phänomen Kurzsichti­gkeit“: „Zeitlich nahe Beloh-

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