Wo die Liebe hinfällt – manchmal
Grenzenlos. Sie eint weder Herkunft, Hautfarbe noch Religion – sie sind mit anderen Werten und Traditionen aufgewachsen. Wie es Paare aus unterschiedlichen Kulturen dennoch schaffen, einen gemeinsamen Weg zu finden – und sich selbst dabei treu zu bleiben.
Liebe kennt keine Grenzen – oder doch? Fällt die Liebe in einen anderen Kulturkreis, lässt man sich nicht nur auf einen Menschen mit anderen Werten und Traditionen ein, sondern auch auf seine Lebenswelt – und umgekehrt. Was das bedeutet, hat die Sozialanthropologin Karin Schreiner für ihr Buch „Ein Paar – zwei Kulturen“in Gesprächen mit 25 interkulturellen Paaren herausgefunden. Im Interview mit dem KURIER erklärt sie, wie viel Unterschiede eine Beziehung verträgt, wie man mit ihnen umgehen kann und wie viel Freunde und Familie mitzureden haben. KURIER: Wo beginnt eine interkulturelle Beziehung? Sind Wiener und Vorarlberger nicht auch schon kulturell sehr unterschiedlich? Karin Schreiner: Innerhalb einer Nation gibt es viele regionale Unterschiede, insofern kann man hier auch von einem interkulturellen Paar sprechen. Wenn man aber aus einer Nation kommt, hat man ein gemeinsames historisches Gedächtnis, einen ähnlichen kulturellen Hintergrund, hat in der Jugend ähnliche politische, gesellschaftliche Ereignisse erlebt. Wenn man aus ganz unterschiedlichen Ländern kommt, fällt das völlig weg. Je weiter die Kulturdistanz ist, desto größer werden die Unterschiede und desto mehr Themen gibt es, mit denen man sich auseinandersetzen muss. Wo liegt das Hauptkonfliktpotenzial bei interkulturellen Paaren?
Eines ist sicher die Sprache – welche Sprache wird in der Beziehung gesprochen. Und: Wo lebt man. Ist es in einem Heimatland eines Partners oder ist es an einem dritten Ort. Einige Paare haben es als angenehm empfunden, gemeinsam in einem dritten Land zu leben, das für beide neu war. Da geht es um Gleichgewicht in der Beziehung. Wenn man zu jemandem zieht, ist derjenige, der sich anpassen muss, im Nachteil. Wenn man in patriarchalisch traditionellen Geschlechterrollen ist und der Mann zieht in das Land der Frau, dann ist die Frau die Checkerin in ihrem Land. Und Es heißt ja oft, Liebe kennt keine Grenzen – welche Grenzen haben Sie im Rahmen Ihrer Recherchen entdeckt?
Es gibt natürlich Grenzen – das hat oft mit der Kulturdistanz und mit Geschlechterrollen zu tun. Es geht auch darum, Grenzen zu setzen. In einer Partnerschaft kommt man mitunter auf Werte, die einem persönlich sehr wichtig sind und die man behalten möchte. Grenzen gibt es auch im Verständnis. Man kann den anderen ja nie vollkommen kennen, es bleibt immer ein Rest. Bei interkulturellen Paaren ist dieser Rest vielleicht ein Stück größer. Zum Beispiel hat einer der Befragten erzählt, dass er mit dem Fasching hier nichts anfangen kann – es ist nicht seine Tradition, es ist nicht lustig für ihn. Da bleibt ein Rest, der fremd bleibt. Eine Grenze sind auch Werte, die man nicht aufgeben möchte – da muss man sich als Paar finden und reden. In diesen Tagen spricht man oft über Integration. Welche Form von Integration ist bei interkulturellen Paaren nötig?
Natürlich ist bei der Entscheidung, in einem fremden Land zu leben, eine gewisse Anpassungsleistung nötig – für den Arbeitsmarkt, die Sprache, den sozialen Habitus, das gesellschaftliche Leben. Das heißt nicht, dass man seine eigene Kultur aufgibt. Man muss aufpassen, dass man in der Partnerschaft eine eigene Welt schafft, in der beide mit ihrer jeweiligen kulturellen Herkunft und ihren Werten gleichberechtigt ihren Platz finden. Das ist die größte Aufgabe solcher Paare. Da geht es darum, seinen Teil zu integrieren und eigentlich etwas Neues zu schaffen. Einige Paare haben das geschafft und dann funktioniert das auch außerordentlich gut. Integration heißt für mich, dass ich mich anpasse, aber auch meinen Teil anbringen kann – das gilt auch auf der gesellschaftlichen Ebene, wo das Fremde, Neue, Andere ange- nommen und als Bereicherung angesehen wird. Gegenfrage: Gleich und gleich gesellt sich gerne – wie viel Unterschiede verträgt eine Beziehung?
Wenn die Kulturdistanz sehr groß ist und auch ein großer sozialer Unterschied dazukommt, kann das kritisch werden. Wenn die Welten nicht vereinbar sind oder die Loslösung vom Elternhaus nicht passiert, was in vielen Kulturen nicht vorgesehen ist, dann ist die Distanz zu groß und es funktioniert nicht. Man muss versuchen, eine dritte, gemeinsame Welt zu finden. Gibt es Fälle, wo sich Paare für eine der beiden Kultur entscheiden?
Das ist eine persönliche Entscheidung. Ich hab Paare erlebt, wo jemand sagt, ich habe mich entschlossen hier zu leben und das ist mein neuer Lebensmittelpunkt – da passe ich mich an und mit meiner Ursprungskultur habe ich immer weniger zu tun. Das gibt’s schon. Ich finde aber das Integrationsmodell ist das ausgewogenste. Gibt es Faktoren, die für das Gelingen einer interkulturellen Beziehung maßgeblich sind?
Dazu gehört, dass man neugierig ist. Nicht nur für den Partner als Mensch, sondern auch für die Kultur, die im Hintergrund steht. Wichtig ist, dass man einander viel von sich erzählt – mehr, als das Paare sonst tun. Ein wichtiger Faktor ist auch das Gleichgewicht. Es muss einem bewusst sein, wie hoch die Anpassungsleistung ist, wenn der Partner zu einem ins Land zieht. Dazu gehören Sprache, der ganze kulturelle Faktor, Arbeitsmarkt, Integration, Erziehung. Das ist eine unglaubliche Anstrengung – und wird oft viel zu wenig wertgeschätzt, ist aber ein ganz wichtiger Faktor. Welchen Stellenwert hat der Faktor Sprache? Sollten beide Partner beide Sprachen können?
Ich persönlich finde es extrem wichtig. Für das Gleichgewicht in der Beziehung und das einander besser Verstehen, ist Sprache unglaublich wichtig. In der Praxis ist es oft mangels Zeit und Energie schwer, neben Beruf und Familie noch eine andere Sprache zu lernen. Die Paare haben oft eine gemeinsame Sprache – entweder eine dritte Sprache, Englisch zum Beispiel. Oder sie sprechen in einer der beiden Sprachen der Partner. Dabei gehen doch viele Feinheiten von Sprache, etwa Zweideutigkeiten oder Humor, verloren?
Ja, definitiv. Irgendwann ist das vielleicht auch ein Manko. Der Punkt wird oft unterschätzt, weil in einer Fremdsprache diese emotionale Ebene nicht so gut ausgedrückt werden kann. Stichwort Religion: Wie viel Probleme bringen unterschiedliche Religionen in einer Partnerschaft?
Je nachdem, wie wichtig Religion genommen wird. Bei vielen Paaren wird es den Kindern überlassen, sich später selbst eine Religion auszusuchen. In meinem Buch geht es auch um christlich-muslimische Beziehungen, in denen beiden Partnern die Religion sehr wichtig ist. Eine christliche Frau hat sehr bezeichnend erzählt, für sie wäre es viel schwieriger mit einem Atheisten zusammenzuleben als mit einem Moslem. Der Glaube an einen Gott verbindet sie beide. Über den Glauben – auch wenn es unterschiedliche Religionen sind – hat man dieses religiöse Empfinden gemeinsam und das zählt für diese Paare besonders. Da macht eher die Umwelt Probleme – die Familien zum Beispiel. Die brauchen oft Jahre, bis sie die Beziehung akzeptieren. Dann gibt es auch rechtliche Fragen, etwa, wie man heiratet, was religiösen Menschen ja sehr wichtig ist. In Wien gibt es zum Beispiel nur einen Pfarrer, der interreligiöse Ehen traut.