Flüchtlingsthema entschied die Wahl
Motive. Grundlegende Zukunftsängste waren bei den meisten Bürgern ausschlaggebend bei der Stimmabgabe
Die Wahl ist geschlagen, die Mandate verteilt. Doch über den Wahltag hinaus wird – auch mit dem Blick auf die Wien-Wahl in zwei Wochen – nun vor allem eine Frage gestellt: Warum haben sich die Oberösterreicher so entschieden? Was waren ihre Motive, was hat sie bewegt?
Eine seit Wochen vorhandene Vermutung haben die Motiv-Forscher des Sora- Instituts gestern bestätigt: Das den politischen Diskurs bestimmende Flüchtlingsthema war auch in Oberösterreich mit Abstand das wichtigste Wahl-Motiv.
Sechs von zehn Bürgern haben im Wahlkampf intensiv über das Thema „Flüchtlinge und Asyl“diskutiert ( sie-
he Grafik); nur halb so wichtig waren den Oberösterreichern Fragen um „Sicherheit und Kriminalität“.
„Und selbst dieser Themenkomplex“, sagt Sora- Experte Günther Ogris im KURIER-Gespräch, „hat indirekt auch wieder mit dem Flüchtlingsthema zu tun.“
Die Flüchtlingsthematik war also einfach wahlentscheidend.
Sorge um den Job
Es wäre allerdings zu einfach, ja grundsätzlich falsch, Wahlergebnis und -motive auf eine simple Furcht vor Zuwanderern oder Ausländern zu reduzieren.
„Die Hälfte der Bevölkerung hat laut eigenen Angaben nicht vom Wirtschaftswachstum profitiert. Die Sor- ge um den eigenen Job und um ein sicheres Einkommen prägen die Gefühlswelt der Österreicher“, sagt Ogris.
Zu dieser, von der allgemeinen Wirtschaftsflaute geprägten Zukunftsangst, sei in den vergangenen Monaten die internationale Flüchtlingskrise hinzugekommen; und sie habe Themen wie Gesundheit, Bildung, Wohnen oder Umweltschutz völlig aus dem lokalen Wahlkampf verdrängt.
Ogris: „Während bei den Landtagswahlen im Burgenland und der Steiermark die Frage im Mittelpunkt stand: ‚Welches Bundesland nimmt wie viele Menschen auf?‘ wurde in Oberösterreich eine noch grundlegendere Frage virulent: ‚Können unser Arbeitsmarkt und unser Wohl- stand die bevorstehende Belastung aushalten?‘ “
Bemerkenswert ist, dass die Oberösterreicher die Freiheitlichen nicht nur gewählt haben, um bei den Blauen ihren Unmut zu deponieren; der FPÖ wird in der Flüchtlingsfrage auch sachpolitisch Einiges zugetraut: 96 Prozent der Wähler orten bei der FPÖ die „beste Kompetenzen“, um die Flüchtlingssituation zu bewältigen – das ist von allen Parteien der höchste Wert.
Land hat Kompetenz
Auffallend ist zudem, dass die Oberösterreicher offenbar einen deutlichen Unterschied zwischen Bund und Land machen: Während nur jeder dritte Wahlberechtigte „sehr“oder „eher zufrieden“mit der Arbeit der Bundesregierung ist, schafft die oberösterreichische Koalition aus ÖVP und Grünen bei genau dieser Frage eine deutliche Mehrheit: Mehr als die Hälfte (56 Prozent) der Befragten sind mit der Landesregierung zufrieden.
Bleibt die Frage, was die Motiv-Forscher aus dem oberösterreichischen Resultat für Wien ablesen.
„Wir wissen aus Umfragen, dass die Zufriedenheit mit der Stadt durchaus groß ist“, sagt Experte Ogris. „Das Problem aus Sicht der Regierung ist allerdings, dass die Politik von dieser Zufriedenheit nur mäßig profitiert.“
Warum? Darauf antwortet der Sora- Chef so: „Seit mehr als drei Jahren sehen wir aus verschiedenen Befragungen, dass die Kosten für das tägliche Leben die Menschen beschäftigen. Die Zukunftsängste sind mittlerweile sehr stark. Sie drohen viele andere Themen einfach zu überlagern.“
„Die Sorgen um den Job und ein sicheres Einkommen prägen die Gefühlswelt der Österreicher.“
Günther Ogris
Motiv-Forscher Sora-Institut