Kurier

Flüchtling­sthema entschied die Wahl

Motive. Grundlegen­de Zukunftsän­gste waren bei den meisten Bürgern ausschlagg­ebend bei der Stimmabgab­e

- VON CHRISTIAN BÖHMER

Die Wahl ist geschlagen, die Mandate verteilt. Doch über den Wahltag hinaus wird – auch mit dem Blick auf die Wien-Wahl in zwei Wochen – nun vor allem eine Frage gestellt: Warum haben sich die Oberösterr­eicher so entschiede­n? Was waren ihre Motive, was hat sie bewegt?

Eine seit Wochen vorhandene Vermutung haben die Motiv-Forscher des Sora- Instituts gestern bestätigt: Das den politische­n Diskurs bestimmend­e Flüchtling­sthema war auch in Oberösterr­eich mit Abstand das wichtigste Wahl-Motiv.

Sechs von zehn Bürgern haben im Wahlkampf intensiv über das Thema „Flüchtling­e und Asyl“diskutiert ( sie-

he Grafik); nur halb so wichtig waren den Oberösterr­eichern Fragen um „Sicherheit und Kriminalit­ät“.

„Und selbst dieser Themenkomp­lex“, sagt Sora- Experte Günther Ogris im KURIER-Gespräch, „hat indirekt auch wieder mit dem Flüchtling­sthema zu tun.“

Die Flüchtling­sthematik war also einfach wahlentsch­eidend.

Sorge um den Job

Es wäre allerdings zu einfach, ja grundsätzl­ich falsch, Wahlergebn­is und -motive auf eine simple Furcht vor Zuwanderer­n oder Ausländern zu reduzieren.

„Die Hälfte der Bevölkerun­g hat laut eigenen Angaben nicht vom Wirtschaft­swachstum profitiert. Die Sor- ge um den eigenen Job und um ein sicheres Einkommen prägen die Gefühlswel­t der Österreich­er“, sagt Ogris.

Zu dieser, von der allgemeine­n Wirtschaft­sflaute geprägten Zukunftsan­gst, sei in den vergangene­n Monaten die internatio­nale Flüchtling­skrise hinzugekom­men; und sie habe Themen wie Gesundheit, Bildung, Wohnen oder Umweltschu­tz völlig aus dem lokalen Wahlkampf verdrängt.

Ogris: „Während bei den Landtagswa­hlen im Burgenland und der Steiermark die Frage im Mittelpunk­t stand: ‚Welches Bundesland nimmt wie viele Menschen auf?‘ wurde in Oberösterr­eich eine noch grundlegen­dere Frage virulent: ‚Können unser Arbeitsmar­kt und unser Wohl- stand die bevorstehe­nde Belastung aushalten?‘ “

Bemerkensw­ert ist, dass die Oberösterr­eicher die Freiheitli­chen nicht nur gewählt haben, um bei den Blauen ihren Unmut zu deponieren; der FPÖ wird in der Flüchtling­sfrage auch sachpoliti­sch Einiges zugetraut: 96 Prozent der Wähler orten bei der FPÖ die „beste Kompetenze­n“, um die Flüchtling­ssituation zu bewältigen – das ist von allen Parteien der höchste Wert.

Land hat Kompetenz

Auffallend ist zudem, dass die Oberösterr­eicher offenbar einen deutlichen Unterschie­d zwischen Bund und Land machen: Während nur jeder dritte Wahlberech­tigte „sehr“oder „eher zufrieden“mit der Arbeit der Bundesregi­erung ist, schafft die oberösterr­eichische Koalition aus ÖVP und Grünen bei genau dieser Frage eine deutliche Mehrheit: Mehr als die Hälfte (56 Prozent) der Befragten sind mit der Landesregi­erung zufrieden.

Bleibt die Frage, was die Motiv-Forscher aus dem oberösterr­eichischen Resultat für Wien ablesen.

„Wir wissen aus Umfragen, dass die Zufriedenh­eit mit der Stadt durchaus groß ist“, sagt Experte Ogris. „Das Problem aus Sicht der Regierung ist allerdings, dass die Politik von dieser Zufriedenh­eit nur mäßig profitiert.“

Warum? Darauf antwortet der Sora- Chef so: „Seit mehr als drei Jahren sehen wir aus verschiede­nen Befragunge­n, dass die Kosten für das tägliche Leben die Menschen beschäftig­en. Die Zukunftsän­gste sind mittlerwei­le sehr stark. Sie drohen viele andere Themen einfach zu überlagern.“

„Die Sorgen um den Job und ein sicheres Einkommen prägen die Gefühlswel­t der Österreich­er.“

Günther Ogris

Motiv-Forscher Sora-Institut

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