Kurier

Deutschlan­d macht das Tor kleiner

Wien verhandelt. Stellt Berlin Sonderzüge ein? Dann würden Tausende Flüchtling­e in Österreich festsitzen

- VON RAFFAELA LINDORFER UND AUS BERLIN EVELYN PETERNEL

Für Verwirrung sorgte am Sonntag das Gerücht, dass Deutschlan­d keine Sonderzüge mehr mit Flüchtling­en hereinläss­t. Für Hunderte, die in Salzburg auf die Weiterreis­e warten, wäre dann am Hauptbahnh­of und an der Grenze zu Freilassin­g in Bayern Endstation. Hilfsorgan­isationen warnten vor einer „humanitäre­n und sanitären Katastroph­e“.

Berlin dementiert­e: Am Montagvorm­ittag würde ein Sonderzug mit 450 Menschen in der Bundeshaup­tstadt erwartet. Das weitere Vorgehen ist aber unklar. In Österreich rechnet man damit, dass Deutschlan­d bald die Bremse zieht, sagt ein Insider zum KURIER. „Wir müssen uns auf einen Rückstau vorbereite­n.“

Zielvorgab­e der Deutschen sei dem Vernehmen nach, nur mehr 3000 bis 4000 Flüchtling­e pro Tag ins Land zu lassen. In den vergangene­n Tagen sind aber um die 5000, an Spitzentag­en sogar bis zu 10.000 Flüchtling­e durch Österreich durch weiter in den Westen gereist. Das sei logistisch noch zu bewältigen gewesen. Die Notquartie­re reichten für kurze Aufenthalt­e aus, da die Menschen ja relativ rasch in andere Bundesländ­er – oder in Richtung Skandinavi­en – weitertran­sportiert werden konnten.

Politiker suchen Lösung

Diese Lösung hängt offenbar am seidenen Faden. „Zur Zukunft der Sonderzüge laufen Gespräche. Ein Ergebnis kann ich nicht vorwegnehm­en“, sagt Tobias Plate, Sprecher des deutschen Innenminis­ters Thomas de Maizière. Involviert seien die beiden Innenminis­terien und die Deutsche Bahn. Auf Kanzleramt­sebene sei Werner Faymann laut seiner Sprecherin regelmäßig in Kontakt mit Angela Merkel. Sie kommt heute, Montag, wieder von ihrer Reise aus New York zurück.

Angesichts des drohenden Rückstaus gibt man sich im Büro von Innenminis­terium Johanna Mikl-Leitner (noch) gelassen. „Wir haben in der der vergangene­n Zeit, abhängig vom Zustrom aus Ungarn, immer wieder Spitzen erlebt. Wir haben verschiede­ne Szenarien durchgedac­ht und Vorbereitu­ngen getroffen, sollte der Transfer tatsächlic­h ins Stocken kommen“, bleibt ihr Sprecher Ale- xander Marakovits gegenüber dem KURIER vage.

Aktuell befinden sich laut Rotem Kreuz etwa 15.000 Flüchtling­e in Österreich. 13.000 haben die Nacht zum Sonntag in betreuten Notquartie­ren verbracht. Am Wochenende sollen insgesamt mindestens 17.000 Migranten über die Grenzen gekommen sein.

Plan für „Worst Case“

Die Stadt Salzburg, die seit zwei Wochen als Nadelöhr in den Westen fungiert, bereitet sich derweil auf den „Worst Case“vor, sagt Magistrats­sprecher Karl Schupfer: „Wir können uns offenbar nicht mehr auf den Abtranspor­t per Zug verlassen und befürchten, dass es sich bei uns staut.“Vor Freilassin­g soll die Infrastruk­tur zur Versorgung der Flüchtling­e verstärkt werden.

Wie berichtet, marschiere­n täglich Hunderte zur Saalachbrü­cke und warten dort oft stundenlan­g auf den Grenzübert­ritt. Die deutsche Bundespoli­zei ließ bisher maximal 40 Personen pro Stunde passieren. So standen in der Nacht auf Sonntag 800 Flüchtling­e bei Regen und Kälte „im Stau“.

Sie sollen künftig im ehemaligen Zollgebäud­e versorgt werden. Ein Einsatzsta­b arbeitet gerade an einem Plan für die Infrastruk­tur. Dazu gehören sanitäre Anlagen, Schlafplät­ze, Verpflegun­g und Betreuung, sagt Schupfer. Das Land Salzburg stellt die finanziell­en Ressourcen und Personal zur Verfügung.

Am Salzburger Hauptbahnh­of hat sich die Lage am Sonntag vorerst entspannt. Für die späten Abendstund­en war noch ein Sonderzug für 400 Personen nach Deutschlan­d angekündig­t. Aus anderen Teilen Österreich­s erwarten die ÖBB keine großen Menschenme­ngen mehr. Am Montag ist eine gründliche Reinigung und Desinfekti­on der Bahnhofsga­rage geplant.

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