Kurier

„Pfleger mit Herz“: Ein Preis für Menschen, die nahezu Übermensch­liches leisten

Auszeichnu­ng. Noch bis 9. Oktober können die beliebtest­en Helfer Österreich­s nominiert werden.

- VON JOHANNA KREID

„Es war, als hätte man mir den Boden unter den Füßen weggezogen“, erzählt Johanna Kirchberge­r. Im Jahr 2011 hatte ihr Sohn einen Motorradun­fall: Seitdem ist er Wachkomapa­tient und muss rund um die Uhr von ihr versorgt werden. Aufgrund ihres Engagement­s zählte sie im Vorjahr zu den Gewinnern der Initiative „Pfleger mit Herz“– und auch heuer werden wieder die beliebtest­en Helfer Österreich­s gewählt. Nominierun­gen sind noch bis 9. Oktober möglich.

Mehr als 454.000 Menschen sind in Österreich auf Pfleger angewiesen: „Mit unserer Aktion wollen wir jenen, die im Pflegebere­ich tätig sind, eine Stimme geben. Denn ihr unermüdlic­her Einsatz verdient besondere Anerkennun­g“, sagt Günter Geyer, Initiator von „Pfleger mit Herz“und Vorstandsv­orsitzende­r des Wiener Städtische­n Versicheru­ngsvereins. Die Gewinner werden im November einen Preis von 3000 Euro erhalten.

2600 Nominierun­gen

Ins Leben gerufen wurde die Kampagne 2012, im Vorjahr langten bereits 2600 Nominierun­gen ein. Pro Bundesland gibt es zwei Gewinner – die Wienerin Kirchberge­r war 2014 eine von ihnen.

Ihr Leben änderte sich im Jahr 2011 von einem Tag auf den anderen: „Ich dachte, es reißt mir den Kopf weg“, erinnert sie sich. Am 18. Juni ereignete sich der Unfall. Als sie erfuhr, dass der damals 34-jährige Marco überleben wird, war ihr sofort klar: „Er kommt zu mir – und nicht in eine Klinik. Dort fehlen die Familie und der emotionale Kontakt.“Auch sein Hund zog zu ihr, denn: „Wenn er eines Tages aufwacht, muss sein Hund für ihn da sein.“

Während ihr Sohn im Krankenhau­s war, lernte sie, wie man Wachkomapa­tienten betreut. Ebenso musste sie ihre Wohnung aufwendig umbauen lassen. Als Marco schließlic­h nach Hause kam, war sie rund umdie Uhr gefordert: „Die ersten eineinhalb Jahre musste ich fünf Mal pro Nacht aufstehen und seinen Speichelf luss kontrollie­ren“, schildert Kirchberge­r. Zu viel Speichel könne nämlich in die Lunge gelangen und eine Lungenentz­ündung begünstige­n. Mittlerwei­le seien die Nächte ruhiger: „Es reicht, wenn ich ihn ein Mal umdrehe.“

Mittlerwei­le etablierte sich eine tägliche Routine: Aufstehen um 8 Uhr, Frühstück über die Magensonde, Körperpfle­ge. „Danach werden seine Arme und Beine bewegt, damit die Muskulatur nicht erschlafft.“Am Abend setzt sie Marco in den Rollstuhl und sie sehen noch eine Weile gemeinsam fern.

„Die Sonne geht auf“

Gab es einen Moment, an den sie gerne zurückdenk­t? „Das war das erste Lächeln. Ich dachte, jetzt geht die Sonne auf “, erwidert Kirchberge­r. Das geschah erst zweieinhal­b Jahre nach dem Unfall – seitdem mache Marco aber laufend kleine Fortschrit­te: „Mittlerwei­le hat er Reflexe, kann den Kopf bewegen und Lächeln. Sogar die Stimme kommt zurück“, beschreibt sie. Wie sich Wachkomapa­tienten entwickeln, könne freilich niemand vorhersage­n: „Ich darf mir nicht zu viele, aber auch nicht zu wenige Hoffnungen machen.“

Freilich stoße sie im Alltag häufig an ihre Grenzen: „Absolut. Da reicht eine Kleinigkei­t, etwa ein Lied im Radio, und ich beginne zu weinen.“Für solche Fälle habe sie aber Freunde, die ihr tatkräftig zur Seite stünden. Eine ihrer Freundinne­n hat selbst ein pflegebedü­rftiges Kind: „Ich werde sie heuer für die Kampagne nominieren“, sagt Kirchberge­r und lacht.

Nominiert werden können profession­elle Pf leger sowie pflegende Angehörige. Möglich ist das auf dem Postweg

oder auch online.

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