Erbrecht schlägt Gesellschaftsrecht
Testament. Das neue EU-Erbrecht macht vieles einfacher. Als Unternehmer sollte man sich dennoch rechtzeitig damit auseinandersetzen
Wer im Ausland lebt, sollte sein Testament unbedingt überprüfen“, sagt der Wiener Notar Alexander Winkler. Vor allem, wenn es darum geht, den Fortbestand eines Unternehmens zu regeln. Denn seit 17. August dieses Jahres gilt in allen EULändern mit Ausnahme von Dänemark, Irland und Großbritannien die neue EUErbrechtsverordnung, die grundsätzlich grenzüberschreitende Verlassenschaftsverfahren vereinfacht. Demnach ist für die Erbschaft nicht mehr die Staatsbürgerschaft, sondern der letzte gewöhnliche Aufenthaltsort des Verstorbenen entscheidend. Hat der Erblasser also zuletzt etwa in Spanien gelebt, gilt spanisches Recht – außer, er hat zuvor in einer letztwilligen Verfügung anderes festgelegt.
Große Unterschiede
„Aus unternehmerischer Sicht kann es dadurch allerdings diffiziler werden“, warnt Winkler. So gebe es etwa bei der Festlegung der Erben, aber auch bei der Frage der Pflichtteile europaweit oft enorme Unterschiede. „In Spanien beispielsweise ist die Ehefrau oder der Ehemann gar nicht in der Erbfol- ge dabei“, sagt der Notar. Würde also einer der beiden am Unternehmen beteiligten Ehepartner ohne Testament sterben, könnte möglicherweise dieser Unternehmensanteil an einen Erben, der damit nichts anfangen könne und wolle, gehen. Winkler: „Muss dieser dann ausbezahlt werden, kann das für das Unternehmen dramatische Folgen haben“. Gerade bei Familienunternehmen seien Erb- und Gesellschaftsrecht oft sehr verzahnt. Durch die Anwendung eines nicht-österreichischen Erbrechts könnten die im Gesellschaftsrecht getroffenen Regelungen, wie etwa jene, wer im Unternehmen operativ tätig sein dürfe, über den Haufen geworfen werden, gelte doch die Regel „Erbrecht schlägt Gesellschaftsrecht“.
In diesem Zusammenhang mahnt Winkler generell mehr Schriftlichkeit ein. „Es ist oft überhaupt nicht klar, welche Regelungen es für den Fall des Todes eines Gesellschafters oder für die Aufnahme neuer Gesellschafter gibt“, so Winkler. Die mangelnde Dokumentation sei dann auch häufig Quelle für Streit. Einer Studie der Österreichischen Notariatskammer zufolge haben immerhin fast 85 Prozent der Österreicher kein Testament verfasst. Damit hat sich die Situation gegenüber der Motivstudie aus dem Jahr 2011 verschlechtert: Damals hatten immerhin noch 23 Prozent der Österreicher ihren Nachlass in einem Testament geregelt. Heute sind es 15 Prozent. „Unternehmer sind da keine Ausnahme“, sagt Winkler.
Steuerlast
Sich rechtzeitig mit dem Thema Testament auseinanderzusetzen sei aber noch aus einem anderen Grund wichtig: „Bei der Erbschaftssteuer gibt es keine Vereinheitlichung“, bedauert der Experte. Während es diese in Österreich derzeit nicht gebe, würden beispielsweise in Belgien Erbschaftssteuern von bis zu 80 Prozent eingehoben. Auch Doppelbesteuerungen seien durchaus üblich: Ein Deutscher, der in Österreich ein Haus erbt, würde hierzulande Grunderwerbssteuer, in Deutschland noch Erbschaftssteuer zahlen. Winkler: „Im schlechtesten Fall kann so eine Steuerlast von 100 Prozent oder sogar mehr drohen – auch das sollte bei der Planung berücksichtigt werden“.