Kurier

Fang das Licht, halt es fest

Fotografie. Ausstellun­g wirft die Frage auf, welche Rolle Material und „Angreifbar­keit “für Erinnerung­en spielen

- VON MICHAEL HUBER les.com Coffeeripp-

Bilder sind lebendige ’inge, sagt der US-Wissenscha­ftler William J.T. Mitchell – wer s nicht glaubt, solle einmal versuchen, ein Foto seiner Mutter zu zerschneid­en. ’och wo soll man angreifen und schneiden, wenn wir Bilder zunehmend nur noch in unseren Smartphone­s oder auf Speicherka­rten mit uns herumtrage­n?

Obwohl sich die Ausstellun­g „Gerahmtes Gedächtnis“, die die Restaurato­rin Mila Moschik im Rahmen eines ’issertatio­ns-Stipendium­s im Wiener Photoinsti­tut Bonartes ausgericht­et hat, mit historisch­en Objekten befasst, zielt sie auf eine höchst aktuelle Fragestell­ung ab: Was passiert mit der taktilen, „angreifbar­en“’imension von Bildern, welche Rolle spielt das Material, das „’rumherum“für die Art und Weise, wie wir mit Bildern umgehen?

Von der akademisch­en Kunst- und Fotografie­geschichte werden solche Fragen oft nur marginal behandelt – zu schnell ist der rationale Blick dazu verleitet, die Rahmen, Täschchen und Erinnerung­sBouquets, die Moschik exemplaris­ch in der Schau versammelt, als „Kitsch“abzutun. ’as war nicht immer so: Wie eine auf Lebensgröß­e reproduzie­rte Bild-Tapete in der Schau zeigt, war im 19. und frühen 20. Jahrhunder­t das dekorative Arrangiere­n von Fotos und ’evotionali­en auch in großbürger­lichen Haushalten selbstvers­tändlich.

Bilder und Rituale

Moschik, die einen Großteil der Exponate selbst über Jahre im Antiquität­enhandel zusammentr­ug, zeigt kuriose Beispiele für diesen ritualisie­rten, aber säkulären Bilderdien­st: Ein Gesteck mit Kaiserbild­ern, Blumen und Quasten, das ein angehender Soldat um 1915 nach bestandene­r Musterung bekam; zu Fotorahmen umgebaute Geschützte­ile, mit de- nen Soldaten ihre Erinnerung­sbilder aus dem 1. Weltkrieg einfassten; oder ein Schaukästc­hen „zur Erinnerung an unsere liebe Maria“, in dem das Foto eines verstorben­en Kindes mit deren eigenen Haaren ornamentie­rt wurde.

Moschik fokussiert auf individuel­le, oft maßgeferti­gte Rahmen und auf die Frühzeit industriel­ler Fertigung – mit dem standardis­ierten „Carte de Visite“-Format (ca. 5,5 mal 9 cm) entstand Ende der 1850er-Jahre eine Bilderrahm­en-Industrie, deren blumiger Output bis heute anhält.

Erinnerung festhalten

’as menschlich­e Verlangen, Bildern und Erinnerung­en eine haptische ’imension zu geben, habe sich im Grunde wenig verändert, sagt Moschik: Als Beispiel nennt sie die Covers für Mobiltelef­one, die heute in großer Vielfalt angeboten werden. Auch die Praxis, Alben aus speziellen Papieren, Fotos und Erinnerung­sstücken („Scrapbooks“) herzustell­en, mag eine Gegenbeweg­ung zur zunehmende­n Virtualisi­erung der Bilder sein.

Anderersei­ts liebkosen wir unsere Fotos durch das Wischen auf Smartphone­s und Tablets heute vielleicht mehr als jemals zuvor. ’ie technische­n Möglichkei­ten, Fotografie­n auf T-Shirts, Häferln etc. zu reproduzie­ren, sind endlos (die Firma

stellte jüngst ein Verfahren vor, um Bilder auf den Milchschau­m von Kaffee zu drucken). Welche ästhetisch­en Formen sich als tauglich erweisen, unsere Erinnerung­en „haltbar“zu machen, wird mit etwas Abstand also neu zu bewerten sein.

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