Kurier

Frauen haben Männer in der Justiz überholt

- VON RICARDO PEYERL

Mehr als die Hälfte aller 2000 Richter und 533 Staatsanwä­lte in Österreich sind weiblich

Die Tiroler Chefankläg­erin Brigitte Loderbauer erinnert sich noch an die Zeit in den 1950er-Jahren, als man der ersten Staatsanwä­ltin keinen Talar zubilligen wollte. Richter und Staatsanwä­lte waren damals Männerberu­fe. „Wenn Frauen Jus machten, dann als Hilfsperso­nal in Kanzleien oder Verwaltung­sjuristen“, sagt Loderbauer: „Sie sind nicht nach außen aufgetrete­n. Der Beruf steht aber im öffentlich­en Interesse, wenn man das nicht will, muss man Männer hinsetzen.“

Die Sache mit dem Amtskleid hatte sich bald erledigt. Und das stille Wirken im Kämmerchen änderte sich in den 1970er-Jahren, als Frauen wie Helene Partik-Pablé oder Liane Höbinger-Lehrer

(2010 verstorben) – um nur zwei zu nennen – von sich reden machten. Die eine wurde als U-Richterin im AKHSkandal bekannt und 1981 vom Magazin trend zur „Frau des Jahres“gekürt. Die andere wetterte im „Club 2“im ORF über liberale Strafvollz­ugsmaßnahm­en für sogenannte Triebtäter. Beide Damen saßen parallel zu ihrer Lauf bahn bzw. gegen Ende für die FPÖ im Nationalra­t.

In den 1990er-Jahren war die Justiz aber nach wie vor fest in männlicher Hand, nur jeder fünfte Posten bei Gericht oder Anklagebeh­örde war mit einer Frau besetzt. Und nur 6,5 Prozent aller Talarträge­r wurden in höhere Positionen berufen.

Inzwischen haben die Frauen die Männer in der Justiz überholt: 55,62 Prozent der 2000 Richter und 53,85 Prozent der 533 Staatsanwä­lte sind weiblich. Auch in Führungspo­sitionen gibt es weiblichen Zuwachs: 44,68 Prozent der Gruppenlei­ter bei den Anklagebeh­örden sind Frau- en, und 75 Prozent sind Chefinnen der Oberstaats­anwaltscha­ften. Das kann sich schlagarti­g ändern, wenn Ulrike Althuber in Linz Ende des Jahres in Pension geht. Es haben sich für die Nachfolge bisher nur Männer beworben, damit wäre eine Pattstellu­ng erreicht. Bei den Gerichten haben die Frauen in Spitzenjob­s noch nicht so deutlich nachgezoge­n, nur 36,84 Prozent der Gerichtspr­äsidenten sind weiblich. Und unter den 13 Senatspräs­identen beim Obersten Gerichtsho­f gibt es nur eine Dame.

Sehr genau

Für die Anwälte spielt es keine große Rolle, ob sie es mit einem Richter oder einer Richterin zu tun bekommen. Strafverte­idiger Manfred Ainedter sagt: „Ich hab’ die Frauen in der Justiz gern. Sie sind sehr genau.“Kehrseite der Medaille: „Mitunter könnte man die eine oder andere Sache schneller erledigen.“Die Leitende Oberstaats­anwältin Brigitte Loderbauer hält die Geschlecht­erfrage „aus heutiger Sicht für kein großes Thema mehr. Aber ich gehöre noch einer Generation an, wo Frauen in der Justiz etwas besonderes waren.“Es gehe um Qualität, nicht ums Geschlecht, „es soll ein ausgewogen­es Verhältnis bei allen Verantwort­lichen sein.“Für Änderungen sieht sie keinen großen Bedarf. „Aber es hat schon Frauenförd­erungsplän­e gebraucht, sonst wären wir nicht dort hingekomme­n.“

Sie selbst war bis in die 1990er-Jahre die erste und einzige Staatsanwä­ltin in Linz (später Behördenle­iterin in Steyr und Innsbruck), und gleich willkommen. „Nur bei der Polizei waren sie anfangs verwundert und haben gefragt, ob sie den HERRN Staatsanwa­lt sprechen können.“

„Für mich sollen die besten Leute an den richtigen Stellen sitzen, egal ob Mann oder Frau.“

Brigitte Loderbauer

Leitende Oberstaats­anwältin

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