Abgasaffäre: VW schummelte seit Jahren
Interne Revision. Mitarbeiter sollen bereits 2011 vor dem Einsatz illegaler Software gewarnt haben
In Revisionsberichten warnten Mitarbeiter bereits 2011 vor Einsatz der illegalen Software
Der neue VW-Konzernchef Matthias Müller könnte mit der Bereinigung des Dieselskandals weit mehr Arbeit haben als angenommen. Denn der Volkswagen-Konzern wusste laut Medienberichten in Deutschland bereits vor Jahren über den Einsatz rechtswidriger Software bei Abgasuntersuchungen Bescheid. Das geht laut Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung aus einem Bericht der internen Revision hervor.
Laut diesem Bericht habe bereits 2011 ein Mitarbeiter darauf hingewiesen, dass die Software einen Rechtsverstoß darstellen könnte. Der Bericht sei am vergangenen Freitag dem VW-Aufsichtsrat vorgelegt worden.
Befriedigende Antworten, warum der Bericht in der konzerninternen Hierarchie versandete, gab es in der Aufsichtsratssitzung – die mit dem Rücktritt von Konzernchef Martin Winterkorn endete – nicht. Sollte Managern aber eine direkte Verwicklung in den Skandal nachgewiesen werden, müssen sie mit strafrechtlichen Konsequenzen und Schadenersatzforderungen rechnen.
Ein VW-Sprecher wollte den Bericht am Sonntag nicht kommentieren: „Wir ermitteln auf Hochtouren, und werden die Ergebnisse, sobald wir sie haben, bekannt geben.“
Manipulation seit 2007?
Die Manipulation der Abgastests könnte allerdings auch schon lange vor 2011 begonnen haben. Die interne Revision stieß laut Bild am Sonn
tag auf ein weiteres brisantes Dokument: Das Zulieferunternehmen Bosch habe den VW-Konzern in einem Schreiben vor der illegalen Verwendung seiner Technik zur Abgasnachbehandlung gewarnt. Bosch habe die Software an VW geliefert, die allerdings nur für Testzwecke und nicht für den normalen Fahrbetrieb vorgesehen gewesen sei. Der Zeitung zufolge teilte der Zulieferer den Wolfsburgern damals mit, dass der geplante Einsatz der Software gesetzwidrig sei.
Bosch wollte keine Stellungnahme dazu abgeben. „Wir sind gegenüber VW zur Vertraulichkeit verpflichtet“, sagte ein Sprecher.
Verkaufsstopp
International gerät VW ebenfalls stärker unter Druck. Die Schweiz hat bereits am Freitag Abend ein vorübergehendes Zulassungsverbot für be- troffene Dieselfahrzeuge der Marken VW, Audi, Seat und Skoda angekündigt, das heute, Montag, in Kraft tritt. Bereits zugelassene Fahrzeuge dürfen aber weiterfahren.
In Belgien zog der VW-Importeur die Notbremse und nahm 3200 Diesel mit dem fraglichen Motor EA 189 vorsorglich vom Markt.
Italien will landesweit 1000 Fahrzeuge des VW-Konzerns stichprobenartig untersuchen lassen Man wolle – sagte Verkehrsminister Graziano Delrio – nicht warten bis man die von VW und dem deutschen Kraftfahrtbundesamt erbetenen Daten erhalten habe.
In den USA, wo die Abgasaffäre ihren Anfang nahm, verweigerte die Umweltbehörde EPA dem Konzern am Freitag die Erlaubnis zum Verkauf seiner Dieselmodelle im kommenden Jahr und kündigte schärfere Abgasprüfungen an.
Deutschland bremst
Die EU will die für Ende 2017 geplanten Abgastests unter „normalen“Fahrbedingungen vorziehen. Allerdings bremst ausgerechnet Deutschland. Laut einem internen Positionspapier will Deutschland – berichtet die Welt am Sonntag – den neuen Testmodus angeblich bis 2021 verzögern. Außerdem sollen viele Schlupflöcher auf Druck der mächtigen Lobby der Autoindustrie erhalten bleiben.
Das deutsche KraftfahrtBundesamt setzt VW ein Ultimatum: Bis 7. Oktober muss der Konzern einen verbindlichen „Maßnahmen- und Zeitplan“vorlegen, ob und bis wann die betroffenen Dieselfahrzeuge im Sande sein werden, die Abgasnormen auch ohne Manipulationssoftware einzuhalten.