Kurier

Auf der größten Baustelle der Welt

Lokalaugen­schein. Die Sommerspie­le 2016 in Rio de Janeiro sollen für die Einwohner zum Vermächtni­s werden

- AUS RIO DE JANEIRO PHILIPP ALBRECHTSB­ERGER

10 Milliarden Euro kosten Brasilien die Spiele im August 2016 in Rio. Ein Lokalaugen­schein.

Ein Mann liegt am Rand eines Schwimmbec­kens, vor der strahlende­n Sonne schützt er sich mit seiner Kopf bedeckung. Es ist einer dieser traumhafte­n November-Tage im heißen Rio de Janeiro.

Für den Mann am Schwimmbec­ken-Rand sind solche Tage eine Qual.

Es ist nicht irgendein glitzernde­r Hotel-Pool in Brasilien, sondern der derzeit wichtigste im Land: das olympische Schwimmbec­ken für die Sommerspie­le im August 2016. Jener noch leere Betonziege­l, auf den in acht Monaten die ganze Welt blicken wird. Der erschöpfte Mann ist ein Bauarbeite­r, die eineinhalb­stündige Mittagspau­se ist ihm, wie allen Brasiliane­rn, heilig. Er ist einer von Tausenden, die gerade auf der größten Baustelle der Welt schwitzen: der Baustelle Rio de Janeiro.

Nur wenige Meter entfernt vom Schwimmsta­dion wartet Joaquim Monteiro in einem zum Büro umfunktion­ierten Baucontain­er auf die Delegation des Österreich­ischen Olympische­n Comités (ÖOC). Der junge Brasiliane­r trägt ein Marken-Hemd und eine moderne, dick gerahmte Brille, er ist einer der Chefplaner. In selbstbewu­sstem Englisch präsentier­t Monteiro den olympische­n Masterplan der Stadt. „Ver- mächtnis“ist Schlüsselw­örter.

Was soll übrig bleiben von den Olympische­n Sommerspie­len 2016 in Rio de Janeiro, den allererste­n auf südamerika­nischem Boden? Und zwar nicht im September 2016, wenn die letzten Reste des Sportfests verflogen und verstaut sind. Nein, im Zentrum stand die Frage, was 2020 oder 2025 übrig bleiben soll von der Mega-Veranstalt­ung, die laut Organisato­ren rund zehn Milliarden Euro kosten wird.

In Zeiten von flächendec­kender Korruption und ausufernde­m Größenwahn bei Großverans­taltungen ist das eine wichtige und richtige Frage, aber auch eine mutige.

Denn auch Rio verspricht, die besten Spiele der Geschichte auszuricht­en. Doch die Stadt verspricht das nicht dem Sport, wie es London 2012 getan hat, sie verspricht die besten Spiele auch nicht der Welt, wie es auf protzige Art und Weise Peking 2008 und zuletzt Sotschi versucht haben. Rio hat das Verspreche­n den Einwohnern gegeben: den Reichen und Armen, den Jungen und Alten, den Euphorisch­en und den Hoffnungsl­osen.

Die traumhafte Kulisse

Es ist ein Anspruch, der schwer zu realisiere­n scheint in einer Sieben-MillionenE­inwohner-Stadt, die stetig weiter wächst und an vielen Ecken und Enden zwangsläuf­ig an natürliche Grenzen stößt: auf der einen Seite an den tief blauen Atlantik, auf der anderen an die üppig begrünten Hügel, die die Stadt einrahmen.

So franst die Metropole immer weiter aus, etwa der Küste entlang nach Barra da Tijuca. Eine Stadt, fast so groß wie Linz, in der Stadt Rio. Vor 50 Jahren war hier nichts, nada, außer unbewirtsc­haftetem Land. Im kommenden Jahr wird in Barra das Herz von Olympia schlagen, in Form des olympische­n Parks und des Athletendo­rfs. Das ist in etwa so, als wäre bei Olympia in Wien das Zentrum der Spiele in Tulln.

Das klingt absurd, doch die Olympia-Planer wollen damit die Chance ergreifen, ein dringend benötigtes neues Viertel zu erschaffen (einfach) und mit Leben zu erfüllen (schwierige­r). Als Vorbild dient die Weltstadt Barcelona, die erst durch die Spiele 1992 einen öffentlich­en Strandzuga­ng zum Mittelmeer bekommen hat.

Daher staut man sich jetzt ein gutes Stündchen von der Innenstadt nach Barra. In Zukunft, vielleicht schon ab Olympia, soll der Verkehr abnehmen. Dann, wenn die Straße um ein paar Fahrbahnen erweitert wurde, und vor allem dann, wenn die U-Bahn endlich auch dieses Viertel erreicht. Bisher besteht das U-Bahn-Netz der Millionenm­etropole aus lächerlich­en zwei Linien.

Aus dem privat finanziert­en Athletendo­rf, das in 31 Hochhäuser­n 18.000 Sportler beherberge­n wird, werden Kaufobjekt­e. Eine 80 Quadratmet­er große Wohnung kommt auf 200.000 Euro. Günstig sei das für Rio, heißt es. Dennoch kaum er- schwinglic­h für Otto-Normalverb­raucher. Ein durchschni­ttlicher Monatslohn beträgt knapp 1000 Euro.

Nachhaltig­e Planung

Bescheiden­er wirken die Sportstätt­en. Das Leichtathl­etik-Stadion, gebaut für die Panamerika­nischen Spiele 2007, ist mit 65.000 Sitzplätze­n eines der kleineren der jüngeren Olympia-Vergangenh­eit und wird danach wieder verkleiner­t (48.000). Gar kein Stein auf dem anderen bleibt bei der HandballAr­ena: Sie ist so konstruier­t, das hernach vier öffentlich­e Schulen daraus entstehen.

In Barra soll es einmal wie an der Copacabana zugehen. Bei einem Spaziergan­g an Brasiliens berühmtest­em Strand lernt man übrigens zwei wichtige Dinge über das Leben: Nicht jeder Brasiliane­r ist ein begnadeter Fußballer, dafür versteht es jeder Brasiliane­r, mit ganz wenig Aufwand ganz großartig zu entspannen.

So wirkt es auch bei dem Bauarbeite­r am Rand des Schwimmbec­kens. Kein guter Grund zur Hektik. Die olympische­n Sportstätt­en sind bereits so gut wie fertig.

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