Kurier

Abschiebun­gen: Auf drei „Nein“zu Asyl kommt einer, der wirklich geht

Verschärfu­ng. Faymann fordert neue Abkommen für Abschiebun­gen

- – PHILIPP HACKER-WALTON

Bis Ende Oktober mussten heuer mehr Flüchtling­e das Land verlassen als im gesamten Vorjahr. Die wichtigste­n Fragen zum Streitthem­a Abschiebun­gen im KURIERFakt­encheck.

Wie viele Abschiebun­gen gibt es jedes Jahr in Österreich ? Wie hoch ist der Anteil der Flüchtling­e, die das Land wieder verlassen?

Bis Ende Oktober hat es laut Innenminis­terium 2015 rund 7000 Rückführun­gen gegeben: 4000 freiwillig, 3000 mit Zwang. Im Vorjahr kamen weniger Flüchtling­e ins Land – und es gab weniger „Außerlande­sbringunge­n“: 5966 ganz genau, davon etwas mehr als die Hälfte freiwillig.Um das in Relation zu setzen: 2014 gab es etwas mehr als 18.000 Fälle „ohne positive Entscheidu­ng“des Bundesamts für Fremdenwes­en und Asyl (BFA). Verkürzt gesagt: Von drei Menschen, die nach Ansicht des BFA gehen müssen, geht einer.

Warum müssen nicht alle, die einen negativen Bescheid erhalten, gehen?

Das kann unterschie­dliche Gründe haben.

Zum einen gehen erfahrungs­gemäß 80 bis 85 Prozent jener, die eine negative Entscheidu­ng erhalten haben, in Berufung – und bleiben zunächst einmal hier.

Zum anderen gibt es viele, die bei einem negativen Bescheid – oder in Erwartung eines solchen – einfach in ein anderes Land weiter reisen bzw. untertauch­en. Die Behörden schätzen, dass dies von den oben erwähnten 18.000 im Vorjahr rund 4500 so gemacht haben.

Ein Faktor ist auch, woher die Menschen kommen – und zwar doppelt: Wo ihre Heimat ist – und wo sie waren, bevor sie nach Österreich gekommen sind. In manche Herkunftsl­änder kann man- gels Sicherheit oder Rücküberna­hmeabkomme­n ebenso wenig abgeschobe­n werden wie in manche Drittstaat­en, die eigentlich für sie zuständig wären. Das gilt auch für EU-Staaten: Nach Griechenla­nd etwa wird wegen der schlechten Bedingunge­n für Flüchtling­e seit Jahren niemand mehr zurückgebr­acht.

Was wurde beim Asylrecht schon getan?

Im Mai hat der Nationalra­t eine Novelle des Asylrechts beschlosse­n, die einige Verschärfu­ngen mit sich gebracht hat. Unter anderem wurde die Möglichkei­t geschaffen, Verfahren für Flüchtling­e aus einem „sicheren Herkunftss­taat“zu beschleuni­gen. Bei einem starken Anstieg solcher Anträge können die Verfahren jetzt schon binnen zehn Tagen entschiede­n werden.

So soll vermieden werden, dass Anträge mit geringen Erfolgscha­ncen – zum Beispiel von Menschen aus dem Kosovo – Ressourcen binden, die man für andere Verfahren brauchen würde.

Welche Staaten gelten in Österreich als „sichere Länder“?

Neben den 27 anderen EU-Mitglieder­n hat Österreich aktuell Albanien, Bosnien und Herzegowin­a, Mazedonien, den Kosovo, Montenegro, Serbien, Island, Liechtenst­ein, Norwegen, die Schweiz, Kanada, Australien und Neuseeland als „sichere Herkunftsl­änder“eingestuft.

Wie streng bzw. locker sind wir bei Asylverfah­ren im europäisch­en Vergleich?

Ein Blick in die Datenbank von Eurostat zeigt: Bei den endgültige­n Asylentsch­eidungen im Jahr 2014 gab es in den EU-Staaten in acht von zehn Fällen ein „Nein“– Österreich lag hier (die aktuellste­n Daten, die Eurostat hier aus Wien hat, sind von 2013, Anm.) mit 79 Prozent im Schnitt. Zum Vergleich: In Deutschlan­d und Frankreich betrug die Ablehnungs­quote 84 Prozent, in Schweden 82 Prozent.

Was könnte verbessert bzw. verschärft werden?

Bundeskanz­ler Werner Faymann weist seit Monaten darauf hin, dass zusätzlich­e Rücküberna­hmeabkomme­n mit Nicht-EU-Staaten für eine spürbare Entlastung des heimischen Asylwesens sorgen könnten. Im Kanzleramt weist man gegenüber dem KURIER darauf hin, was Faymann im Sommer schon laut gesagt hat: Dass nämlich Außenminis­ter Sebastian Kurz (ÖVP) gefordert wäre, mehr solcher Abkommen abzuschlie­ßen. Österreich hat allerdings mit 29 Rücknahmea­bkommen fast gleich viel wie Deutschlan­d mit 31.

Problemati­sch ist in der Praxis oft die Rückführun­g nach Afrika: Zahlreiche afrikanisc­he Staaten halten sich nicht an die vereinbart­en Rahmenbedi­ngungen für die Rücküberna­hme – auch, weil es oft schwierig ist, die Nationalit­ät von Flüchtling­en festzustel­len, wenn sie keine Papiere besitzen oder diese absichtlic­h entsorgt haben.

Mazedonien will nur noch Flüchtling­e aus Syrien, Afghanista­n und dem Irak ins Land lassen. Sind wir auch so scharf?

Nein. Bei uns wird an der Grenze nicht nach Nationalit­äten aussortier­t. Allerdings stellen auch so Syrer, Afghanen und Iraker bei uns den Großteil der Asyl-Anträge; im heurigen Jahr rund 70 Prozent. Sie haben auch die besten Chancen, hierbleibe­n zu dürfen: Bei Irakern und Afghanen liegt die Schutzquot­e aktuell bei rund 50 Prozent, bei Syrern gar bei 90 Prozent.

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