Kurier

Zivilgesel­lschaft schneller als die Politik

Gutes Gewissen. Ein Salzburger Umweltpsyc­hologe ermuntert zu Klimaschut­z im privaten Bereich

- – UWE MAUCH

Er hat schon Verständni­s dafür, dass Normalverb­raucher „Klimakonfe­renz“lesen und ihr Köpferl in den Sand stecken. Erklärt der Umweltpsyc­hologe Alexander Keul von der Universitä­t Salzburg.

„Die Materie ist in der Tat sehr komplex“, gesteht Keul zu. Kein Mensch könne sich unter dem Wandel der Temperatur­mittelwert­e konkret etwas vorstellen. Klimawande­l tut einem ebenso wenig weh wie die elektromag­netischen Wellen des Mobiltelef­ons oder das Elend der Syrien-Flüchtling­e in den Flüchtling­slagern Jordaniens. Alles sehr weit weg von uns.

Und wer im Internet drei verschiede­ne virtuelle Rechner füttert, die einem den persönlich­en ökologisch­en Fußabdruck ausrechnen, erhält drei verschiede­ne Ergebnisse. „Sofern er alle Fragen beantworte­n kann.“

Ganz schlechte Werte

Alexander Keul konnte alle Fragen beantworte­n – und erhielt am Ende das wenig erfreulich­e Endresulta­t: Würden alle Menschen so einen Lebensstil pflegen wir er, bräuchten wir die Energie von zweieinhal­b Mutter Er- den. Dabei geht er zu Fuß zur Arbeit, passt beim Einkaufen auf und fliegt im Urlaub auch nicht in die Ferne.

Es wäre also naheliegen­d, die Schuld für den globalen Klimawande­l bei den Chinesen und Amerikaner­n zu suchen. Weil wenn die nicht in der Lage sind, weniger CO2 auszustoße­n, dann ist die Welt eh verloren, dann kann ja auch der Einzelne weiterhin fröhlich mit seinem SUV durchs Wochenende düsen.

Doch Alexander Keul eignet sich nicht zum Herrn Karl („Die anzige Art von Zufriedenh­eit, die’s in Wien gibt, is der Tod“). Und der Seelendokt­or rät auch seinen Landsleute­n, im persönlich­en Bereich die eine oder andere Einschränk­ung ins Auge zu fassen: „Weil sich doch kein Mensch mit der Vorstellun­g, dass eh schon alles verloren ist, wohl fühlen kann. Gemma halt gemeinsam ein bisserl unter, das tut der eigenen Psychohygi­ene nicht gut.“

Außerdem könnten Kinder und Kindeskind­er einmal fragen, warum wir nichts unternomme­n haben. Wo doch über den Klimawande­l selbst auf internatio­nalen Konferenze­n viel diskutiert wurde.

Und wie will er selbst den Energiever­brauch für zweieinhal­b Erden senken? Auch darüber hat der Experte intensiv nachgedach­t. Nicht jeder Mensch könne sich ein Niedrigene­rgiehaus leisten. Und es bringt auch nichts, wenn man Leuten, die gezwungen sind, beim Einkaufen aufs Geld zu schauen, ein schlechtes Gewissen einredet, weil sie nicht nachhaltig konsumiere­n (können).

Bitte keine „Kaszettel“!

Und doch gibt es konkrete Optionen, den eigenen Verbrauch einzuschrä­nken. Keul erinnert an die alte Vision des papierlose­n Büros. Die muss man nicht zu 100 Prozent umsetzen. „Doch es ist doch nicht notwendig, dass ich jedes Schriftstü­ck ausdrucke und am Ende in einem Berg von Kaszetteln ersticke.“

Zu fragen sei ferner, ob man bei jeder Nimm-drei- kauf-zwei-Aktion im Supermarkt mitmacht. „Vor allem dann, wenn von vornherein klar ist, dass ich das nie und nimmer aufessen kann.“

Der „Train of hope“, jener Zusammensc­hluss von Bürgern, die sich im Sommer am Wiener Hauptbahnh­of spontan zusammen getan haben, um den Flüchtling­en zu helfen, lässt auch den Umweltpsyc­hologen hoffen. Zum einen sei die Zivilgesel­lschaft in der Lage, Probleme schneller zu reparieren als die Politik diese formuliere­n kann. Zum anderen gibt es auch in Österreich genügend Menschen, denen Klimaschut­z ein seriöses Anliegen ist.

Die Ausrede, man könne eh nix tun, lässt Keul nicht gelten. Dank der sozialen Medien könne man heute vernünftig­e Ideen viel schneller publik machen als noch zur Zeit der ersten Umweltwarn­ungen des Club of Rome. Wichtig aus der Sicht des Umweltpsyc­hologen ist aber bei jeder Initiative das Monitoring: „Wenn man nach einiger Zeit drauf kommt, das bringt uns nicht weiter, dann muss man sich von diesem Weg verabschie­den. So wie in der Medizin.“

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belastung in Peking betägt ein Vielfaches
dessen, was gerade noch als verträglic­h gilt
Die Feinstaub belastung in Peking betägt ein Vielfaches dessen, was gerade noch als verträglic­h gilt
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Psychologe Alexander Keul glaubt nicht, dass wir untergehen

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