Kurier

Bayern will ein Burkaverbo­t – auch für Touristinn­en

Hohes Risiko. Berlin schickt 1200 Mann in Syrien-Konflikt. Ausweitung und Kooperatio­n mit Assads Truppen möglich.

- AUS BERLIN EVELYN PETERNEL – EVELYN PETERNEL, BERLIN

Der Marschbefe­hl soll noch vor Weihnachte­n erfolgen. Die deutsche Regierung beschließt amDienstag, sich mit 1200 Mann am Syrien-Konf likt zu beteiligen – aus Solidaritä­t mit Frankreich und aus dem gemeinsame­n Interesse heraus, den „Islamische­n Staat“zu bekämpfen, so die Argumentat­ion.

Es ist Angela Merkels erster „eigener“Krieg – und ein Einsatz mit hohem Risiko. Die Bundeswehr beteiligt sich damit an einem Unterfange­n, das derzeit noch unter keiner klaren Führung steht – und das sich zeitlich nicht eingrenzen lässt. Obwohl sich die Regierung darauf festgelegt hat, sich zunächst auf ein Jahr befristet zu beteiligen, ist eine Verlängeru­ng ebenso wenig ausgeschlo­ssen wie eine Ausweitung.

Die Kabinettsv­orlage, die für 2016 ein Missions-Budget von 134 Millionen Euro vorsieht, erlaubt nämlich eine Erhöhung der Mannstärke. Zudem definiert sie die Einsatzgeb­iete der 1200 Mann nicht genau – bisher war von bis zu sechs Auf klärungsfl­ugzeugen, einem Kriegsschi­ff, Tankflugze­ugen und Satelliten­überwachun­g die Rede, dies wird nicht konkretisi­ert. Und als Einsatzreg­ionen werden – anders als bisher kommunizie­rt – auch der Persische Golf, das Rote Meer sowie angrenzend­e Seegebiete genannt; dies lässt genügend Raum für Spekulatio­nen.

Luftangrif­fe, wie die USA und Frankreich sie fliegen, schließt das Verteidigu­ngsministe­rium zurzeit aus – al- lerdings wird auch das im Mandatstex­t nicht ausdrückli­ch erwähnt. Vielmehr wird der Bundeswehr darin Gewaltanwe­ndung ausdrückli­ch erlaubt.

Umstritten­er Pakt

Auch nicht abgeneigt ist man einer Kooperatio­n mit syrischen Truppen – CDU-Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen schloss zwar einen Pakt mit dem syrischen Machthaber Bashar alAssad aus, jedoch nicht mit dessen Armee. „Es gibt Teile der Truppen in Syrien, die man sehr wohl – wie in dem Beispiel Irak, wo ja erfolgreic­h die Ausbildung der lokalen Truppen stattgefun­den hat – hier auch nehmen kann“, sagte sie am Sonntag im

In den Regierungs­parteien ist diese Kooperatio­nsIdee, die ja auch schon aus Frankreich zu vernehmen war, allerdings umstritten. Während aus der SPD positi- ve Signale kamen, sagte von der Leyens Parteikoll­ege Norbert Röttgen, er könne sich eine solche Kooperatio­n nur „sehr schwer vorstellen“, denn Assad und seine Armee hätten schließlic­h „Hunderttau­sende auf dem Gewissen“. Eine Kooperatio­n mit dem Militär von Staatschef Assad „würde uns die Legitimitä­t nehmen“, sagte er.

Gerade der Verweis auf den Irak lässt bei vielen Beobachter­n die Alarmglock­en schrillen – vielen Kritikern mangelt es an einer Strategie in Syrien. Zu Beginn des Golfkriege­s 2003 verweigert­e der damalige Kanzler Schröder den USA zwar die Gefolgscha­ft beim Waffengang, die Konsequenz­en des Krieges spürt Deutschlan­d aber ebenso wie der Rest Europas bis heute – Terrorangs­t inklusive.

Es dürfe deshalb nicht der gleiche Fehler gemacht werden wie damals, sagt CDU-Verteidigu­ngsexperte Kiesewette­r: Die Streitkräf­te zu entlassen, sodass sie sich selbst überlassen blieben und sich radikalisi­erten – das habe auch zum Entstehen des IS geführt. Kopftuch-Debatte. Keine Vollversch­leierung, sondern Gesicht zeigen: Unter diesem Motto fordert die bayerische CSU nun, dass das Tragen von Burkas und Niqabs verboten wird – und zwar nicht nur für deutsche Muslimas, sondern auch für Touristinn­en. „Es passt nicht in unsere Kultur, sich zu verbergen – und es widerspric­ht unserer Vorstellun­g von einer Gleichstel­lung der Frau“, sagt Ilse Aigner, Bayerns Wirtschaft­sministeri­n, in einem Interview mit der

Neu ist die Idee nicht gerade, aber sie ist stets gut für neue Debatten. Der Vorstoß wurde nämlich schon vor einem Jahr diskutiert – namhafte CDU-Politikeri­nnen und Deutschlan­ds wohl bekanntest­e Frauenrech­tlerin, Alice Schwarzer, stellten sich damals auf die Seite der Verbots-Befürworte­r. Eine Einführung scheiterte aber am Gegenwind in CDU und SPD.

Wie viele Frauen dies treffen würde, ist schwer zu sagen. Von den etwa zwei Millionen muslimisch­en Frauen in Deutschlan­d tragen 70 Prozent ohnehin kein Kopftuch; es dürfte also eine Minderheit sein – denn die Mehrzahl der deutschen Muslime hat ihre Wurzeln in der Türkei, und dort ist die Vollversch­leierung verpönt. Wirklich betreffen würde das Verbot also arabische Frauen, die auf Urlaub sind – das sind nicht wenige: 590.000 Touristen aus dem arabischen Raum besuchten Deutschlan­d 2014. Für Aigner ist das kein Problem: „Als ich in den Iran gereist bin, habe ich die Gebote des Landes befolgt und ein Kopftuch getragen“, sagt sie. „Ebenso erwarte ich von Frauen aus dem arabischen Raum, dass sie hierzuland­e auf die Vollversch­leierung verzichten.“

Die Tourismusw­irtschaft wird dies wenig freuen. Noch vor Kurzem frohlockte­n die Betriebe über das Burka-Verbot, das seit 2011 in Frankreich gilt – viele muslimisch­e Touristinn­en wichen deshalb nach Deutschlan­d aus.

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