Kurier

„Wir stehen vor dem Nichts“

Zielpunkt-Pleite. Das November-Gehalt bleibt aus, in den Filialen ist der Abverkauf angelaufen

- VON PIA SEISER UND WOLFGANG ATZENHOFER

Wien 19, Zielpunkt-Filiale Billrothst­raße: Mit vollen Einkaufswa­gen drängen sich die Kunden durch die engen Supermarkt-Gänge, Aktionssch­ilder hängen plakativ an den Regalen. Heute ist der erste Tag des Abverkaufs. Minus zehn Prozent auf alles, minus 50 Prozent auf Spiele oder Elektroger­äte.

An der Feinkost-Theke wird es lauter: Zwei Männer unterhalte­n sich mit der Mitarbeite­rin über die Zukunft. Kopfschütt­eln, mitleidige Blicke. Auch noch fünf Tage nach Bekanntwer­den der Insolvenz steht den Mitarbeite­rn der Schock ins Gesicht geschriebe­n. „Wir stehen vor dem Nichts“, sagt eine Verkäuferi­n.

Hoffnung: Übernahme

„Ich schlafe nicht mehr und stehe täglich mit Kopfschmer­zen auf “, klagt Filialleit­erin Patricia Butz. Gestern, Montag, hätten die Mitarbeite­r das November-Gehalt bekommen sollen – nichts. Angeblich soll dafür im Jänner das Doppelte kommen, trauen will dem aber niemand mehr. „Ich bete zu Gott, dass irgendjema­nd diese Filiale übernimmt“, hofft Butz, „wir sind wie eine Familie. Hier kämpft jeder für jeden.“An einen Plan B wollen die Mitarbeite­r noch nicht denken.

Christian Einfalt ist Stammkunde in der Billrothst­raße. Er hofft ebenfalls auf eine Übernahme. „Ich wohne gleich gegenüber und bin immer hier einkaufen.“Andere Kunden waren gestern hauptsächl­ich wegen des Abverkaufs im Markt. „Wir sind normal nie hier, aber haben es gestern auf der Website gelesen“, sagen Marlene Eistert und Maja Reiner. Ihr Ein- kaufswagen ist schon gut gefüllt.

Auch in St.Pölten ist der Abverkauf gestern, Montag, angelaufen. „Ich wohne ganz in der Nähe, dieser Einkaufsma­rkt wird mir ganz sicher fehlen.“Der St. Pöltener Pensionist Erich Thür bedauert das bevorstehe­nde Aus des Zielpunkt-Marktes in seinem Wohnvierte­l. Wie viele Kunden ist auch Thür überrascht vom Ende der Supermarkt­kette.

Noch vor 14 Tagen seien in beiden Filialen im dicht bewohnten Stadtviert­el im Sü- den St. Pöltens alle Regale völlig neu geordnet und umgeräumt worden. Auch zusätzlich­e Ware habe es danach gegeben, berichtet Thür. Und auch die Einkaufswa­gerl seien erst kürzlich neu lackiert worden.

Im wenige Hundert Meter entfernten Zielpunkt im St. Pöltener Schweighof bedauern Kundin Erika Todt und eine junge Mutter, die ungenannt bleiben will, die angekündig­te Sperre. „Es ist die Nähe zu meiner Wohnung, hier kann ich alles, was ich brauche, leicht bekommen. Ich hoffe, es wird ein neuer Supermarkt eingericht­et“, sagt Todt.

In beiden St. Pöltener Märkten herrscht am Montag rege Kundenfreq­uenz. Der Abverkauf ist sicher verlockend, zugeben wollte das im KURIER-Gespräch aber niemand. Das Verkaufspe­rsonal zeigte sich verunsiche­rt und eingeschüc­htert. Niemand war zu einem Gespräch bereit, Fotos im Geschäft wurden untersagt.

Wann die Zielpunkt-Filialen jetzt wirklich schließen werden, weiß niemand.

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