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Zuwanderer brauchen für Jobs „Vitamin B“

Arbeitsmar­kt. Fast jeder zweite Zuwanderer fand Job über Kontakte – große Erfolgsunt­erschiede je nach Herkunft

- VON H. SILEITSCH-PARZER (Beziehunge­n), (migrant.at): (siehe Grafik).

Laut Statistik findet fast jeder Zweite Arbeit über Verwandte, Bekannte oder Freunde

Das Wichtigste ist, wen zu kennen: Das gilt bei der Jobsuche für Zuwanderer noch stärker. Fast jede zweite Person, die im Ausland geboren wurde (46 Prozent), führt an, den Eintritt in den Arbeitsmar­kt über „Verwandte, Freunde oder Bekannte“gefunden zu haben. Also über „Vitamin B“wie es Statistik-Austria-Chef Konrad Pesendorfe­r bezeichnet. Unter den in Österreich Geborenen nennt das nur jeder Dritte (33 Prozent).

„Der österreich­ische Arbeitsmar­kt hat immer über Netzwerke funktionie­rt“, bestätigt Norbert Bichl vom Beratungsz­entrum für Migranten „Der Großteil läuft über Mundpropag­anda.“

Stellenanz­eigen nennt jeder Fünfte. Über Blindbewer­bungen beim Arbeitgebe­r trauen sich Migranten hingegen seltener als Österreich­er. Dass das Arbeitsmar­ktservice (AMS) und private Vermittler nur für 10 Prozent der Zuwanderer die Eintrittsk­arte in den Job liefern, erklärt Pesendorfe­r damit, dass diese eher für die Wiedereing­liederung als für Erstkontak­te zuständig seien. Für die Umfrage, die der StatistikC­hef im Klub der Wirtschaft­s- publiziste­n vorstellte, spielte die jüngste Flüchtling­swelle noch kaum eine Rolle. Einige Rückschlüs­se sind dennoch möglich.

Vorbildlic­he Bosnier

So seien Kriegsf lüchtlinge, die in den 1990ern aus Bosnien-Herzegowin­a kamen, ein Beispiel für erfolgreic­he Integratio­n. Ihre Erwerbstät­igkeit ist mit 71,5 Prozent ähnlich hoch wie bei gebürtigen Österreich­ern (72,6 Prozent) und ungleich besser als bei Serben (55 Prozent) oder Türken (51,4 Prozent). Dasselbe Bild zeigt sich bei der Arbeitslos­igkeit

Warum funktionie­rte die Einglieder­ung bei Bosniern sehr gut, bei anderen hingegen mäßig? Pesendorfe­r sieht familiäre Netzwerke als mögliche Erklärung; auch die höhere Bereitscha­ft, Sprach- und Fortbildun­gskurse zu belegen, könne eine Rolle spielen.

Norbert Bichl hat eine ergänzende Erklärung: „Im Ursprung ist die Geschichte der Serben in Österreich die der Gastarbeit­erzuwander­ung in den 1970ern“, sagt der Berater. Viele Serben und Türken seien damals für Jobs geholt worden, für die sich keine österreich­ischen Arbeitskrä­fte fanden – am Bau, später in der Gastronomi­e, am Fließband oder auch im Handel. Diese Migranteng­eneration sei jetzt in einem Alter und Gesundheit­szustand, wo Umschulung­en schwierig würden. Zumal sich auch die Anforderun­gen in diesen Branchen gewandelt hätten.

Viele bosnische Kriegsflüc­htlinge hätten hingegen einen hohen Bildungsgr­ad mitgebrach­t. Und: Seit Mitte der 1990er schaue die Arbeitsmar­ktpolitik mehr auf die Qualifikat­ionen. Migranten seien jetzt „nicht mehr nur Lückenbüße­r“, sagt Bichl.

Sprache ist wesentlich

Gut, dass das AMS jetzt „Kompetenzc­hecks“in der Mutterspra­che durchführt, betont auch Pesendorfe­r. Denn jeder vierte Migrant (24 Prozent) sieht sich als überqualif­iziert für seinen aktuellen Job – bei Österreich­ern sind es nur neun Prozent. Die deutsche Sprache sei die „erste Wegscheide“in den Arbeitsmar­kt, gleich an zweiter Stelle komme aber der Bildungsst­and.

Wenig hält Pesendorfe­r jedoch von Asyl auf Zeit. Die Idee werde sich „leerlaufen“. Es sei ein Widerspruc­h, sich umIntegrat­ion zu bemühen und die Leute nach drei Jahren heimzuschi­cken. Da solle man den Menschen „gleich reinen Wein einschenke­n“.

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