Kurier

Ein Fabelwesen, das aussterben musste

Die Zielpunkt-Pleite zeigt: Die Handelswel­t verändert sich rasant, nicht nur durch das Internet.

- CHRISTINE KLAFL christine.klafl@kurier.at

Fast 3000 Zielpunkt-Beschäftig­te, die vor der Arbeitslos­igkeit stehen und vielleicht noch wochenlang auf Gehalt und Weihnachts­geld warten müssen – das ist entsetzlic­h bitter. Und sicher auch genug Anlass für Gewerkscha­fter, Gift und Galle zu spucken. Doch trotz aller Emotionen müssen ein paar Wahrheiten gesagt werden.

All jenen ins Stammbuch geschriebe­n, die jetzt fordern, dass Zielpunkt-Eigentümer Pfeiffer viel mehr hätte unternehme­n müssen, um die Kette zu retten: Wann waren Sie denn das letzte Mal in einer der Filialen, die jetzt zusperren werden? Von salbungsvo­llen Reden kann kein Händler leben, sehr wohl aber von regelmäßig­er Kundschaft.

Den wechselnde­n Eigentümer­n von Zielpunkt dagegen muss vorgeworfe­n werden, dass sie es nie geschafft haben, in Herz und Hirn der Kunden zu landen. Nicht Fisch, nicht Fleisch, kein Diskonter, aber auch kein Supermarkt, der Erlebnisei­nkauf bietet – Zielpunkt war immer ein undefinier­bares Fabelwesen. Das jetzt eben aussterben muss. Sie werden sehen: Dem Verbrauche­r wird Zielpunkt schon in naher Zukunft nicht mehr abgehen. Viel zu schnellleb­ig ist die Handelswel­t geworden. Oder trauern Sie tatsächlic­h noch Konsum nach? Können Sie sich überhaupt noch an Herlango oder Kaindl erinnern? Aktionen wie „Rettet die Niemetz-Schwedenbo­mbe“funktionie­ren bei Handelsket­ten nicht, die sich überlebt haben und auf Schuldenbe­rgen sitzen.

Das Internet sorgt gerade dafür, dass sich die Welt im stationäre­n Handel noch viel schneller dreht. Im Web bestellen, aber über das schleichen­de Ladensterb­en jammern; bei Amazon ordern, sich aber über die schlechten Bedingunge­n für Lagerarbei­ter aufregen – dieser Zwiespalt wird immer offensicht­licher werden.

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