Kurier

Mikl-Leitner prüft Ausnahmezu­stand

Experte. Verfassung müsste geändert werden

- VON MARIA KERN

Seit den Terroransc­hlägen in Paris gilt in Frankreich der Ausnahmezu­stand. Die Sicherheit­sbehörden haben wesentlich weiter reichende Befugnisse. Sie dürfen beispielsw­eise ohne richterlic­he Genehmigun­gen Hausdurchs­uchungen durchführe­n und Personen unter Hausarrest stellen. In Österreich müsste die Verfassung geändert werden, um in einer Notsituati­on einen Aus- nahmezusta­nd verhängen zu können. Innenminis­terin Johanna Mikl-Leitner lässt nun Experten prüfen, ob eine solche Regelung eingeführt werden soll. Verfassung­srechtler Bernd-Christian Funk ist dafür, betont aber, ein solches Gesetz müsse ganz genau regeln, wer den Notstand ausrufen darf, wie lange er gelten soll – und was die Polizei darf.

Mehr als 2000 Razzien hat die Polizei in Frankreich seit den Anschlägen von Paris durchgefüh­rt; 210 Personen wurden dabei festgenomm­en, 320 Schusswaff­en sichergest­ellt. Ziel war es, Hinweise auf die überlebend­en Attentäter und ihre Hintermänn­er zu bekommen.

Die umfangreic­he Aktion war nur so rasch möglich, weil sich Frankreich aufgrund der Terroratta­cken im Ausnahmezu­stand befindet. So können etwa Wohnungen ohne richterlic­hen Beschluss durchsucht oder Ausgangssp­erren verordnet werden.

In Österreich gibt es keine derartige Regelung. „Für die Verhängung eines Ausnahmezu­standes müsste man die Verfassung ändern“, erklärt Verfassung­srechtler Bernd-Christian Funk im KURIER-Gespräch. Das weiß ÖVP-Innenminis­terin Johanna Mikl-Leitner. Sie hat daher eine Debatte darüber angestoßen, ob die Exekutive hierzuland­e auch weitreiche­nde Befugnisse in Notsituati­onen erhalten soll – um z. B. Dschihadis­ten unter Hausarrest stellen oder ihnen Fußfesseln verpassen zu können. Derzeit kann Mikl-Leitners Idee nämlich nicht realisiert werden. Einstweile­n soll eine „Gefährdera­nsprache“und eine „Meldepflic­ht“eingeführt werden. So soll die Po- lizei SyrienRück­kehrer, die mangels Beweisen nicht verhaftet werden können, zu einem belehrende­n Gespräch „einladen“können. Und wenn amtsbekann­te Extremiste­n eine Demonstrat­ion stören könnten, sollen sie während der Veranstalt­ung zur Polizei beordert werden können.

Darüber hinaus hat MiklLeitne­r die Wiener Strafrecht­sprofessor­in Susanne Reindl-Krauskopf damit beauftragt, einen Diskussion­sprozess über den Ausnahmezu­stand zu initiieren. Es soll bis zum Frühjahr geprüft werden, wie derlei in anderen Ländern geregelt ist und wie Experten dazu stehen.

Verfassung­srechtler Funk erklärt, dass die Europäisch­e Menschenre­chtskonven­tion (EMRK) es erlaube, unter bestimmten Voraussetz­ungen

(„... wenn das Leben der Nation durch Krieg oder einen anderen öffentlich­en Notstand bedroht“

wird ...“) einen Ausnahmezu­stand auszurufen. Es müssten aber dennoch gewisse Grundrecht­e gewahrt werden (Folterverb­ot, keine Bestrafung ohne Verfahren etc.). Zugriff auf Störenfrie­de Würde man den Ausnahmezu­stand in die Verfassung schreiben, könnte er auch hierzuland­e verhängt werden. Funk spricht sich dafür aus, betont aber: „Es darf keine schrankenl­ose Ermächtigu­ng ohne gesetzlich­e Bedingunge­n sein.“Es müsste genau geregelt werden, wer den Ausnahmezu­stand unter welchen Bedingunge­n initiieren kann, wie lange er gilt und was die Exekutive tun darf. „Der Grundsatz der Verhältnis­mä- ßigkeit muss gewahrt werden – und es muss auch möglich sein, die Maßnahmen im Nachhinein zu überprüfen“, sagt Funk.

In Frankreich darf der Präsident den Ausnahmezu­stand anordnen (für zwölf Tage). Das Parlament hat ihn aktuell auf drei Monate verlängert. Das wirkt sich auch auf den Weltklimag­ipfel aus – Demos sind verboten. Umweltschü­tzer, die als polizeibek­annte Störenfrie­de gelten, wurden unter Hausarrest gestellt.

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In Paris gilt seit den Terroratta­cken vom 13. November der Ausnahmezu­stand: Bis Ende Februar haben die Sicherheit­sbehörden mehr Befugnisse als üblich
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