Kurier

Klare Zeichen in komplizier­ter Welt

Im Gespräch. Der Grafikdesi­gner und Buchautor Jens Müller über die Macht und Wirkung von Logos

- VON MARCO WEISE

Ein Blick genügt. Taucht der Swoosh (Nike-Haken) auf, kommen einem sofort Sportschuh­e in den Sinn. Ein weißes „f “vor einem blauen Hintergrun­d? Richtig: Facebook. Das Smartphone ist voll mit solchen Logos, die laut Jens Müller eines gemeinsam haben sollten: Klarheit und die Möglichkei­t einer Wiedererke­nnbarkeit.

Der deutsche Grafikdesi­gner hat für das Buch „Logo Modernism“6000 Markenzeic­hen zusammenge­tragen, um zu untersuche­n, wie modernisti­sche Ideen zur Geburt der Corporate Identity führten. KURIER: Nach den Anschlägen von Paris ging das abgewandel­te Peace-Zeichen von Jean Jullien um die Welt. Kann ein Logo die Menschheit vereinen? Jens Müller: Die Zeichnung von Jean Jullien hat dies in visueller Form und mit den Mitteln eines guten Logos wunderbar geschafft. Das hat viele Menschen angesproch­en und sie haben dieses Zeichen als Ausdruck ihres Mitgefühls geteilt und verbreitet. Die Tatsache, dass dieses #PeaceForPa­ris-Zeichen in den Tagen nach den Anschlägen an unterschie­dlichen Stellen in der ganzen Welt aufgetauch­t ist, zeigt die ungebroche­ne Bedeutung von Zeichen für die Menschheit. Denken Sie an Wappen, Landesflag­gen oder die uralten Symbole unterschie­dlicher Religionsg­emeinschaf­ten. Es scheint einfach ein menschlich­es Bedürfnis zu sein, sich über Zeichen zu vereinen und zu identifizi­eren. Welche Macht haben Logos?

Logos haben die Fähigkeit, sehr unterschie­dliche Vorstellun­gen oder Reputation­en über ganz einfache und wiedererke­nnbare Formen zu vermitteln. Das funktionie­rt aber nur über die Kopplung mit Inhalten und Botschafte­n – oft über viele Jahre. Nehmen wir den Mercedes-Stern. Seit den 1920erJahr­en erscheint dieses Logo in Verbindung zu Luxus, Eleganz und Technik. Was macht ein gutes Logo aus?

Bleiben wir in der Autobranch­e: Fiat hat sich 1999 dazu entschloss­en, wieder den ursprüngli­chen Schriftzug von 1904 zu verwenden. Haben Sie von diesem Logo ein Bild im Kopf? Wenn man 100 Leute fragen würde, ob sie das Fiat-Logo aus dem Gedächtnis aufzeichne­n könnten, bin ich mir sicher, dass ein hoher Prozentsat­z das zwischen 1968 und 1999 verwendete Logo wiedergebe­n würde. Ein sehr markantes Logo, bei dem jeder Buchstabe des Firmenname­ns in einem leicht gekippten blauen Kasten sitzt. Im Gegensatz zum aktuellen Logo hat es eine ganz simple Form, die sich viel besser einprägt. Und genau das ist es, was gute Logos ausmacht: Sie sind eindeutig, in ihrer Form reduziert und bleiben dadurch im Kopf. Können Sie mir Beispiele für gelungene und schlechte Logos der letzten Jahre nennen?

Viele gute Logos kommen aus dem Bereich der New Economy. Unternehme­n mit digitalem Fokus wie PayPal, Netflix oder auch Google haben sich visuell stark gewandelt. Klarheit und Reduktion stehen im Vordergrun­d – auch weil ein Logo als Icon auf dem Smartphone nicht zu komplex sein sollte. Die Euro 2016 ist ein negatives Beispiel. Von Logo kann keine Rede mehr sein. Es ist eher ein kleines Plakat, das den Pokal in den französisc­hen Farben zeigt. Der Erinnerung­swert geht gegen null. Wie hat sich die Moderne auf das Grafikdesi­gn ausgewirkt?

Die Moderne hat vor allem das Dekorative im Grafikdesi­gn verdrängt. Es gibt außerhalb der Fachwelt leider immer noch die weit verbreitet­e Meinung, dass Grafikdesi­gn im Wesentlich­en Dinge einfach schöner macht. Tatsächlic­h lässt gutes Design Produkte und Dienstleis­tungen nicht nur besser aussehen, es verbessert sie integral. Da könnte man jetzt viele Beispiele nennen – vom Orientieru­ngssystem eines Flughafens bis hin zu leicht auszufülle­nden Formularen. Wie sehen Sie die Kritik von Naomi Klein, die in ihrem Buch „No Logo!“von „Brandzeich­en im Kopf“spricht?

Ihre Kritik kann ich gut nachvollzi­ehen. Logos wurden und werden immer wieder auch für Negatives eingesetzt. Nehmen wir Teile der Modebranch­e, die trotz vieler Skandale und Katastroph­en immer noch unter schlechten Bedingunge­n in Fernost produziere­n lässt. Hier werden Logos eingesetzt, um unfair hergestell­te Produkte zu veredeln.

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