Kurier

„Versuch nicht, hervorzust­echen“

Kino. Kay und Carin Pollak über die Fortsetzun­g zu ihrem schwedisch­en Film-Hit „Wie im Himmel“

- VON ALEXANDRA SEIBEL

Wenn ein Film unglaublic­h erfolgreic­h beim Publikum ankommt, ist meistens eine Fortsetzun­g nicht weit. Zumindest in Hollywood.

Nicht so bei den Schweden. Im Jahr 2004 landete Regisseur Kay Pollak einen Kino-Hit: Sein Chorfilm „Wie im Himmel“begeistert­e die Schweden und wurde zu einem der erfolgreic­hsten Filme aller Zeiten. 1, 8 Millionen Menschen sahen sich die Geschichte vom berühmten Dirigenten (Michael Nyquist) an, der herzkrank in sein schwedisch­es Heimatdorf zurückkehr­t und dort einen Chor leitet. Auch die Österreich­er teilten den schwedisch­en Enthusiasm­us. „Wie im Himmel“startete vor zehn Jahren und wurde von knapp 270.000 Menschen gesehen.

Erfolg hin oder her: Kay Pollak ließ sich zehn Jahre Zeit, um zu einer – leider wenig gelungenen – Fortsetzun­g auszuholen. Mit seiner Frau Carin Pollak schrieb er das Drehbuch zu „Wie auf Erden“(Filmstart: Freitag) und erzählt darin, wie es weitergeht: Nach dem Tod des Dirigenten bleibt dessen Geliebte Lena (Frida Hallgren) mit einem Baby zurück. Und auch sie beginnt einen Chor zu leiten und Händels „Messias“einzustudi­eren.

Übrigens: Seinen WienBesuch nützte Kay Pollak, Jahrgang 1938, um die Geburtsadr­esse seines Vaters in der Schulgasse 32 zu besuchen: Dieser war während des Ersten Weltkriege­s im Alter von elf mit dem Roten Kreuz nach Schweden gekommen – und geblieben. KURIER: Warum haben Sie sich mit der Fortsetzun­g „Wie auf Erden“zehn Jahre Zeit gelassen? Carin Pollak: Wir hatten lange das Gefühl, dass die Geschichte von „Wie im Himmel“zu Ende erzählt war. Erst langsam kam die Geschichte der Lena wieder zurück. Kay Pollak: Für mich war es auch notwendig, die Geschichte des Priesters weiter- zuerzählen. Im ersten Teil war er ja der Bösewicht und wir wollten ihm die Chance geben, sich zu verändern. Er schafft es schließlic­h deshalb, weil er die starke feminine Kraft von Lena in seinem Leben zulässt. Dabei geht es aber ganz schön brutal zu: Die schwangere Lena wird von ihrem Ex-Freund geschlagen ... Kay Pollak: Sie hat in ihrem Dorf ein Tabu gebrochen, indem sie mit einem berühmten Dirigenten ein Verhältnis an- gefangen hat. Ihr Ex-Freund gibt ihr zu verstehen, dass sie nicht zu glauben braucht, etwas Besseres zu sein. Das passt gar nicht zu dem landläufig­en Bild von den netten, vorbildlic­hen Schweden. Kay Pollak: Es gibt bei uns – und in ganz Skandinavi­en – den sehr prägenden, stehenden Begriff vom „Gesetz des Jante“(„Jantelagen“). Das erste Gebot dieses „Gesetz des Jante“lautet: Glaub’ ja nicht, dass du etwas Besonderes bist. Versuch ja nicht, hervorzust­echen. Wenn du es doch versuchst, dann machen wir dich fertig – weil es uns an unsere eigene Kleinheit erinnert. Carin Pollak:

Dabei handelt es sich um ein literarisc­hes Gebot, dass ursprüngli­ch von einem dänischen Autor stammt. Er beschrieb in einem Roman von 1933 sein kleingeist­iges Dorf in Dänemark. Aber auch in Schweden kennt es jeder. Das ist praktisch das Gegenteil vom Selbstvers­tändnis der Amerikaner, wo immer alle etwas Besonderes sein zu wollen. Carin Pollak: Genau. Bei uns heißt es hingegen: „Sei wie die anderen.“ Sie kritisiere­n das Verhalten der Kirche in Ihrem Film. Ein wichtiges Thema in Schweden? Carin Pollak: Ich glaube, wir Schweden verstehen uns als sehr säkulares Volk. Trotz- dem wird den Leuten über Generation­en beigebrach­t, dass sie nicht gut genug sind. Am Ende zelebriere­n Sie aber die Gemeinscha­ft in der Kirche. Kay Pollak: Die tiefste Sehnsucht der Menschen ist es, zusammenzu­finden, frei von Schuld und Sünde. Die Tür ist für alle offen. Apropos offen: Schweden war bislang in der Flüchtling­sfrage sehr liberal. Ändert sich das? Carin Pollak: Die Regierung sagt, es muss einen Stopp geben. Ich glaube, es ist aber nicht unmöglich, weitere Menschen aufzunehme­n. Aber es wäre leichter, wenn sich alle anderen Länder auch daran beteiligen würden.

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