Moskau/Ankara: Krieg mit Worten und Waren
Harte Bandagen zwischen Russland und der Türkei nach Abschuss eines russischen Jets
In Paris geht es dieser Tage an sich um die Erderwärmung – in vielen bilateralen Gesprächen aber drehte sich alles vor allem um das eisige Klima zwischen Russland und der Türkei nach dem Abschuss eines russischen Jets durch die türkische Luftwaffe in der Vorwoche. Und dabei wählen Spitzenpolitiker harte Worte. So etwa Russlands Präsident Wladimir Putin: Er beschuldigte die Türkei der Komplizenschaft mit der Terrormiliz „Islamischer Staat“(IS) in Syrien. „Wir haben Grund zu der Annahme, dass die Entscheidung zum Abschuss (...) von dem Willen bestimmt war, die Öl-Lieferrouten zum türkischen Territorium zu sichern“, so Putin. Der Schmuggel erfolge auf „industrielle Weise“.
Die türkische Staatsspitze, allen voran Präsident Racep Tayyip Erdogan, wies diesen Vorwurf zurück. Der machtbewusste Erdogan sagte, er werde zurücktreten, sollte das bewiesen werden. Zugleich forderte Erdogan Putins Rücktritt, sollte kein Beleg für diese Anschuldigung vorgelegt werden.
Syriens Außenminister Walid Muallem indes beschuldigte Erdogans Sohn Bilal, Drahtzieher des ÖlHandels mit dem IS zu sein.
Aufruf-Diplomatie
US-Präsident Barack Obama versuchte in Paris in der Sache zu vermitteln und traf sich zu einem 30-minütigen Gespräch mit Putin. Viel mehr als ein Aufruf zu einer friedlichen Beilegung des Streits an beide Seiten kam dabei aber nicht heraus – wobei Obama betonte, dass die Türkei ein NATO-Partner sei.
Putins Sprecher Dmitri Peskow wiederum sagte nach dem Treffen, der Vorfall zeige, dass intensiver Informationsaustausch im Syrien-Konf likt nötig sei. Aber: „Die Zeit zur operativen Zusammenarbeit ist noch nicht reif.“In anderen Worten: Stillstand.
Stillstand, während Russ- land und die Türkei einander mit allerlei Sanktionen belegen. So wird Russland ab Jänner für Türken die Visapflicht einführen. Arbeitsgenehmigungen für türkische Bürger werden nicht mehr ausgestellt. Zugleich hat Russland alle Charter-Flüge in die Türkei eingestellt – was aber nicht nur die türkische Tourismusbranche (vier Mio. Touristen 2014) trifft, sondern viel mehr noch die ohnehin schwer angeschlagene russische. Zugleich verhängte Moskau ein Handelsembargo vor allem für Lebensmittel – was die gesamte Handels-Dynamik durcheinanderwürfelt. Für den Wegfall türkischer Güter in Russland dient sich jetzt Ägypten an. Für den Wegfall russischer Güter für die Türkei wiederum die Ukraine.
Putins Vorwurf gegen die Türkei stößt dabei in einen Graubereich. Dass der IS im großen Umfang mit Öl handelt, ist bekannt. Anscheinend hat die Terrormiliz dafür auch gezielt ehemalige Top-Leute des irakischen Geheimdienstes rekrutiert, die schon unter Saddam Hussein Iraks Öl-Export unter Umgehung des damaligen Embargos abwickelten. Auf IS-Seite sind also Profis in diesem Business am Werk.
Geschäfte mit dem IS
Und letztlich ist es so, dass sehr viele Parteien in Syrien selbst schon kaum darum herumkommen, mit dem IS Handel zu treiben – nachdem die Gruppe große Öl- sowie Gas-Felder, aber auch Gas-Kraftwerke hält. So wickelt etwa auch der syrische Staat wohl direkt mit dem IS Energiegeschäfte ab. Und ebenso tun es Rebellengruppen, die mit dem IS rivalisieren. Den Treibstoff für die Jeeps, mit denen sie gegen den IS zu Felde ziehen, beziehen sie oft direkt vom IS.