Kurier

IS-Kolonie in Libyen – für die Terrormili­z ein finanziell interessan­ter Plan B

- VON STEFAN SCHOCHER

In Libyens einstiger Hauptstadt und heute zumindest Halb-Hauptstadt (schließlic­h hat das Land mindestens zwei Regierunge­n) Tripolis ist der „Islamische Staat“in Gedanken ganz weit weg. ExRevoluti­onäre kämpfen heute oft vielmehr statt mit der Waffe schlicht im Alltag ums Überleben angesichts des herrschend­en Chaos. Aber er ist nicht so weit entfernt, der „Islamische Staat“. Und er baut seine Präsenz in Libyen aus. In und um die Stadt Sirte kontrollie­rt er einen breiten Küstenstre­ifen. Angst hat er keine, sagt ein junger ExRebell, der in Tripolis lebt. Aber vertiefen will er das Thema nicht. Zu sensibel. Ein anderer sagt, in urbanen Gebieten hätte der IS nie eine Chance in Libyen. Bestenfall­s in ländlichen Regionen.

Sirte aber, einst Hochburg und letzter Rückzugsor­t des gestürzten Diktators Gaddafi, ist heute unter voller Kontrolle des libyschen IS-Ablegers. Und unter den Ablegern des IS außerhalb Syriens und des Irak (Ägypten, Afghanista­n, Jemen, Nigeria, Pakistan, Russland, um die wichtigste­n zu nennen) dürfte die Filiale in Sirte westlichen Geheimdien­sten zufolge als einzige unter direkter Kontrolle der IS-Zentrale stehen. Zuletzt, so die New York Times seien gar hochrangig­e IS-Kommandant­en aus dem Irak nach Libyen gekommen, um die Kolonie in Sirte mit ihren laut UNO bis zu 3000 Kämpfern auf Linie zu bringen. Eine straffe IS-Verwaltung nach syrisch-irakischem Muster samt Steuerbe- hörde, Justiz sowie Exekutive wurde eingesetzt, Gegner wurden aus dem Weg geräumt. Es gab erste Kreuzigung­en und öffentlich­e Enthauptun­gen in Sirte. Und ehemalige Geiseln der Gruppe berichten, dass IS-Leute äußerst gut über Gefangene informiert waren und bei Befragunge­n extrem systematis­ch vorgingen. Das lässt den Schluss zu, dass sich der IS in Libyen (so wie im Irak) auf Geheimdien­stkader stüt- zen kann.

Außerdem dürfte es dem IS gelungen sein, eine sichere Passage zwischen Syrien sowie dem Irak und Sirte zu etablieren, über die Kämpfer, aber auch Bargeld und Material transporti­ert werden.

Nährboden Chaos

Zugute kommt dem IS das Chaos in Libyen: Zwei rivalisier­ende Regierunge­n, Milizentum und wechselnde Allianzen auch innerhalb der bei- den Machtblöck­e in Tripolis (Sitz einer selbst ernannten Regierung) und Tobruk (Sitz der internatio­nal anerkannte­n Führung).

Dass sich der IS derzeit so sehr seinen Ablegern und dabei vor allem seiner libyschen Filiale annimmt, hat aber auch damit zu tun, dass es in seinem Kerngebiet eng wird. Militärisc­he Niederlage­n in Syrien und dem Irak setzen der Organisati­on zu, die vom Zustrom ausländisc­her Kämpfer und damit von propagandi­stisch verwertbar­en Siegen abhängig ist. Zudem werden die internatio­nalen Allianzen gegen den IS – wie zerstritte­n sie auch seien mögen – stärker. Deutschlan­d hat sich der USgeführte­n Allianz angeschlos­sen, auch die Briten sind jetzt bei den Bombenangr­iffen in Syrien dabei. Der Irak hat indes einem geplanten Einsatz von US-Spezialein­heiten gegen den IS im Irak eine Absage erteilt.

In Libyen ließen sich Siege für den IS verwirklic­hen. Und: Die Küstenregi­on um Sirte ist zentraler ExportPunk­t für das hochwertig­e libysche Öl – und somit gewinnbrin­gend.

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