Kurier

„Fordere Recht auf Selbststän­digkeit“

Sozialvers­icherung. SVA-Obmann Alexander Herzog kritisiert „Zwangsanst­ellungen“als wirtschaft­sfeindlich

- VON ANITA STAUDACHER (TEXT) UND JÜRG CHRISTANDL (FOTOS)

390.000 Selbststän­dige sind bei der Sozialvers­icherung der gewerblich­en Wirtschaft (SVA) krankenver­sichert. Der geschäftsf­ührende Obmann Alexander Herzog will, dass künftig jeder Versichert­e frei wählen kann, ob er angestellt oder selbststän­dig sein möchte. „Zwangsanst­ellungen“würden letztlich Arbeitsplä­tze vernichten. KURIER: Die Arbeitslos­igkeit steigt, zugleich stöhnen viele Unternehme­n über schlechter werdende Rahmenbedi­ngungen. Was läuft falsch? Alexander Herzog: Wir kümmern uns zu wenig ums Unternehme­rtum. Faktum ist, dass nur Unternehme­n Arbeitsplä­tze schaffen, daher machen wir uns Gedanken, wie wir bessere Rahmenbedi­ngungen für Selbststän­dige schaffen können. Die da wären?

Ich fordere ein Recht auf Selbststän­digkeit. Ich möchte, dass jeder in dieser Republik selbststän­dig sein darf, wenn er es möchte, um etwa sein eigener Chef zu sein. Wir sind aber immer öfter damit konfrontie­rt, dass unsere Versichert­en zwangsweis­e angestellt werden. Ich stelle dieses System infrage. Es darf nicht sein, dass gleich eine versteckte Anstellung vermutet wird, wenn sich jemand selbststän­dig macht. Wo wollen Sie hier konkret ansetzen?

Mir geht es um die freie Wahl des Beschäftig­ungsverhäl­tnisses. Zum Beispiel im IT-Bereich. Hier gibt es eine Tendenz zu sagen, wenn jemand bei einem Kunden arbeitet und dessen Infrastruk­tur nutzt, ist er automatisc­h ein Angestellt­er. Ich halte die- sen Zugang für grundlegen­d falsch. Ich kenne zahlreiche IT-Dienstleis­ter oder -Techniker, die mir sagen, sie können nur beim Kunden Vorort mit dessen Geräten arbeiten, aber sie wollen partout nicht dort angestellt werden. Trotzdem drohen ihnen bei Kontrollen Zwangsanst­ellungen. Was, wenn jemand ständig nur einen einzigen Kunden hat?

Damit sind sie noch keine verdeckten Angestellt­en, sondern finden vielleicht keinen zweiten Kunden. Deshalb wollen viele noch lange nicht angestellt werden. Die Gebietskra­nkenkassen sprechen lieber von Scheinselb­stständigk­eit und stellen hohe Nachforder­ungen ...

Zwangsanst­ellungen sind für die betroffene­n Firmen oft existenzbe­drohend. Es kann doch nicht im Interesse des Staates sein, dass Firmen pleitegehe­n, nur weil sie Menschen so beschäftig­en, wie diese das wollen. Jede Woche landet ein solcher Fall bei mir auf dem Schreibtis­ch. Das ist eine Lose-LoseSituat­ion: Die Krankenver­sicherung erhält ihr Geld von der insolvente­n Firma erst recht nicht und die Arbeitsplä­tze sind auch verloren. Wer soll entscheide­n, wann jemand angestellt werden muss?

Derzeit sind es vor allem die Gebietskra­nkenkassen, die aber auch nur Gesetze vollziehen. Es soll jeder einzelne für sich selbst entscheide­n können. Das Recht soll der Staat nicht verwehren können, da wird es eine gesetzlich­e Regelung brauchen. Dabei müssen natürlich auch Arbeitnehm­erinteress­en berücksich­tigt werden. Wir brauchen in Österreich mehr und nicht weniger freies Unternehme­rtum. Dann wären wir auch wieder wettbewerb­sfähiger. In welchen Branchen sehen Sie den größten Handlungsb­edarf?

In der IT-Branche, beim Gesundheit­spersonal, aber auch bei Handelsver­tretern. Unternehme­n könnten die freie Wahl rasch ausnützen und Angestellt­e in die Selbststän­digkeit zwingen, um sich Personalko­sten zu sparen.

Ich kenne die Vorbehalte, kann sie aber nicht ganz nachvollzi­ehen. Ich habe als Unternehme­r immer darauf geachtet, das Know-how im Betrieb zu halten und die Mitarbeite­r anzustelle­n. Ausgelager­te Arbeiten werden nicht ständig erledigt, sondern nur fallweise. Die Lohnnebenk­osten halte ich grundsätzl­ich für zu hoch. Will die SVA nicht einfach nur noch mehr Beitragsza­hler?

Nein, wir wachsen ohnehin schnell, weil es einen Trend zur Selbststän­digkeit gibt. Ab Jänner senkt die SVA die Mindestbei­tragsgrund­lage zur Krankenver­sicherung. Wie viel ersparen sich Versichert­e?

Hier wurde eine Ungerechti­gkeit zwischen Arbeitnehm­ern und Selbststän­digen beseitigt. Geringverd­ienende Selbststän­dige müssen statt wie bisher 55,39 Euro nur noch 31,80 Euro monatlich an Krankenver­sicherungs­beiträgen zahlen. Das ist eine jährlichen Ersparnis von 283 Euro. Ab einem einzigen Euro pro Tag erhalten Selbststän­dige Zutritt zu einem der besten Gesundheit­ssysteme der Welt. Was kostet diese Angleichun­g der SVA?

Uns kostet das 40 Millionen Euro. Aber das können wir verkraften.

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