Chris Lohner: „Noch aus dem Grab heraus sage ich ,Zug fährt ein‘“LTE-Netz bringt Drei höheren Marktanteil
ÖBB. Die Stimme der beliebten Ansagerin wurde für die Fahrplan-Durchsage digitalisiert. Bilanz. Mehr Kunden trotz neuer Konkurrenz
Am Anfang war der Proteststurm. Als die ÖBB im Jahr 2010 am Bahnhof Salzburg und anderen Stationen plötzlich die gewohnte Ansagestimme von Chris Lohner mit einer deutschen Computerstimme „Petra“ersetzten, entlud sich die Empörung über die Kundenhotlines. Viele erboste eMails, Telefonanrufe und Facebook-Kampagnen später kehrt Chris Lohner als digitalisierte Computerstimme sukzessive auf alle Bahnhöfe zurück.
Das System erlaubt das Zusammenstellen neuer Ansagen, ohne dass Lohner dafür erneut ins Studio muss. Die ÖBB haben sich die Verwendungsrechte laut eigenen Aussagen „für alle Ewig- keit“gesichert. „Ich werde noch aus dem Grab heraus ,Zug fährt ein‘ sagen“, kommentiert Lohner im Gespräch mit dem KURIER ihr digitales Alter Ego. Dass sie nach 36 Jahren Zugansagen dafür immer noch Fanpost bekomme, sei sehr schmeichelhaft. Mit täglich mehr als 300.000 Ansagen in Zügen und Bahnhöfen zählt Lohner zu der am meisten gehörten Stimme Österreichs. Zuletzt wollten gar die Betreiber des japanischen Hochgeschwindigkeitszugs Shinkansen Lohner für englische Durchsagen gewinnen – bisher offenbar ohne Erfolg.
Aufwändige Aufnahme
Mehr als 15.000 deutsche und englische Sätze musste die prominente Sprecherin im Sommer für das neue System aufnehmen. Aus diesem Material moduliert das Computerprogramm Lohners Stimme. Theoretisch kann jeder gewünschte Satz im Computer eingetippt und in gesprochene Sprache umgewandelt werden. Das automatisierte Zusammensetzen der Worte und Silben ist für den Bahnkontext optimiert. Besonderes Augenmerk wurde dabei auf die Aufnahme der Stationen gelegt – wurde der bundesdeutsch klingenden Computerstimme Petra doch genau das zum Verhängnis. „Wenn der Heimatort falsch ausgesprochen wird, ist das mit viel Emotionalität verbunden. Immer wieder kam von Kunden auch der Vorwurf, die Stimme klinge nicht österreichisch“, sagt Projektleiter Michael Nahler.
Lohners bekannte Stimme digital so zu imitieren, dass deren spezielle Spracheigenheiten wie Intonation und Ausdruck nicht verloren gehen, sei bis vor einigen Jahren technisch noch gar nicht möglich gewesen. Den Zuschlag für die Realisierung bekam schließlich nach einer EU-weiten Ausschreibung ein kleiner deutscher Anbieter. „Chris Lohner darf natürlich nicht wie eine Roboterstimme klingen“, beschreibt Nahler die Herausforderung. Inwiefern dieses Vorhaben geglückt ist, kön- nen Kunden am Wiener Hauptbahnhof prüfen. Im Idealfall sollten Bahnkunden den Unterschied zu den früheren Aufnahmen, in denen exakt die benötigten Sätze im Studio aufgenommen mussten, nicht hören. Am Hauptbahnhof konnten die ÖBB die notwendigen Ansagen nach Bekanntwerden der Güterzug-Entgleisung auf der Südbahn am Dienstag bereits mit Lohners Computerstimme praktisch in Echtzeit erzeugen.
Fünf-Jahres-Plan
Heuer wird das System in 30 weiteren Bahnhöfen, darunter Innsbruck, Wörgl, Villach, Klagenfurt und am Flughafen Wien implementiert. Jahr für Jahr kommen etwa 100 bis 150 Bahnhöfe hinzu, das System wird in dieser Zeit laufend optimiert, damit die Ansagen noch natürlicher klingen. Das gesamte Vorhaben kostet laut Konzernsprecherin Kristin Hanusch-Linser 350.000 Euro. Die Gage Lohners werde nicht kommuniziert, diese sei marktüblich. Drei konnte seinen Marktanteil im österreichischen Mobilfunk im vergangenen Jahr auf 28,2 Prozent steigern und liegt damit nur noch einen Prozentpunkt hinter T-Mobile, wie CEO Jan Trionow bei einer Jahresrückblickspressekonferenz erklärt hat. A1 ist mit 40,2 Prozent immer noch klare Nummer eins. In dieser Statistik sind die betreibereigenen virtuellen Angebote, im Fall von Drei eety, bereits eingerechnet. Die übrigen virtuellen Anbieter kommen derzeit auf einen Anteil von 2,4 Prozent.
Damit ist Drei laut Trionow der einzige österreichische Netzbetreiber, der trotz neuer Mitbewerber wie HoT eine Steigerung des Marktanteils bewirken konnte. Das führt Trionow vor allem auf den Abschluss des LTE-Netzausbaus zurück. Nachdem Drei schon beim futurezoneNetztest den zweiten Platz erreicht hat, wurde das Unternehmen vom deutschen Connect-Magazin jetzt sogar als bester Betreiber Österreichs ausgezeichnet. Im Juni 2015 hatte Drei 3,7 Millionen Kun- den, rund hunderttausend mehr als ein Jahr zuvor. Dem höheren Druck durch neue Konkurrenten will Drei mit neuen Angeboten weiterhin standhalten. So werden seit Oktober alle Mobiltelefone entsperrt an Kunden ausgeliefert. Seit November bietet Drei mit der 3Geldbörse auch einen eigenen NFC-Bezahldienst an. Auch mit subventionierten Smartphones will Drei seine Position weiter behaupten.
Einen Video-On-Demand-Dienst, der Chromecast-kompatibel ist, gibt es jetzt ebenfalls. Filme sind ab 99 Cent pro Abruf oder im Abo erhältlich. Das Datenvolumen, das dabei anfällt, wird nicht vom Vertragsvolumen der Kunden abgezogen. Der Netzausbau soll auch im nächsten Jahr vorangetrieben werden. Hier hofft Trionow auf einen Anteil an der Breitbandmilliarde, um landesweit Mobilfunkstationen mit Glasfaser ans Netz anbinden zu können. Das Ziel von Drei ist es, weiter zu wachsen und T-Mobile den zweiten Platz streitig zu machen.