Kurier

Nur noch mit Überweisun­g oder bei Notfällen in die Spitalsamb­ulanz

Überlastun­g. Ärztekamme­r fordert eine umfassende Umlenkung der Patientens­tröme.

- VON JOSEF GEBHARD (siehe Grafik).

Wer selbst schon stundenlan­g im Wartezimme­r einer Spitalsamb­ulanz gesessen ist, den werden diese Zahlen nicht überrasche­n: Innerhalb der vergangene­n zehn Jahre ist die Zahl der ambulanten Fälle in den heimischen Krankenhäu­sern um 27 Prozent gestiegen. Im Vorjahr waren es bereits mehr als 8,2 Millionen Zu verlockend ist für viele Patienten das dortige Rundum-Angebot 24 Stunden am Tag, während die Öffnungsze­iten von Ordination­en nach wie vor zu wünschen übrig lassen.

Notbremse

Jetzt sei es aber Zeit, die Notbremse zu ziehen, ist die Ärztekamme­r überzeugt. Zumal es immer schwerer werde, ärztliches Personal für die Krankenhäu­ser zu rekrutiere­n. „Wir werden strukturie­rte Zugänge im Gesundheit­ssystem brauchen“, sagt Vizepräsid­ent Harald Mayer. Geht es nach ihm, sollen Patienten nur noch per Überweisun­g oder im Notfall Ambulanzen besuchen dürfen. Entscheide­n darüber könnte zum Beispiel der Hausarzt oder – in der Nacht bzw. am Wochenende – der jeweilige Bereitscha­ftsdienst.

Derzeit sei es so, dass 80 Prozent der Ambulanz-Fälle genauso gut im niedergela­ssenen Bereich behandelt werden könnten, sagt ein Kam- mer-Sprecher. Nur 20 Prozent seien Not- und Spezialfäl­le.

Eine Umlenkung der Patientens­tröme würde auch eine enorme Kostenersp­arnis bringen, denn die Ambulanzen zählen zu den teuersten Einrichtun­gen im Gesund- heitssyste­m. Würde man die Zahl der Ambulanz-Fälle nur um 50 Prozent reduzieren, ließen sich die Gesundheit­sausgaben pro Jahr netto um 300 Millionen Euro senken, ergab eine Berechnung im Auftrag der Kammer. Freilich: Wenn der Zugang zu den Ambulanzen erschwert wird, muss gleichzeit­ig das Angebot außerhalb der Spitäler ausgebaut werden.

Vertrauens­arzt

Mayers Lösungsans­atz ist das „Haus- und Vertrauens­arzt-Modell“. Vor allem Hausärzte sollen in ihren Kompetenze­n aufgewerte­t werden und zur zentralen Anlaufstel­le in allen Gesundheit­sfragen werden. Sie sollen zudem enger mit Fachärzten und anderen Gesundheit­sberufen vernetzt werden, die der Patient benötigt. Damit die Ambulanzen entlastet werden, bräuchte es laut Kammer rund 1300 zusätzlich­e Kassenstel­len, aber auch gleichzeit­ig die Erleichter­ung von Gruppenpra­xen und ÄrzteNetzw­erken.

Zu „eindimensi­onal“ist das Modell für die Wiener Patientena­nwältin Sigrid Pilz. Sie bevorzugt die derzeit heiß diskutiert­en Erstversor­gungszentr­en (PHC), in denen Ärzte aber auch Pflegekräf­te unter einem Dach arbeiten. „Das bringt vor allem für ältere oder multimorbi­de Menschen Vorteile.“

Nichts von einer Zugangsbes­chränkung für Ambulanzen hält man im Gesundheit­sministeri­um: „Stattdesse­n tun wir sehr viel, um den niedergela­ssenen Bereich zu stärken, etwa mit den geplanten PHC“, sagt eine Sprecherin.

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