Kurier

Schifferl versenken mit Wal

Im Herzen der See. Ron Howard verfilmte die Vorgeschic­hte zu „Moby Dick“

- VON ALEXANDRA SEIBEL

man hat Howard verfilmt, sondern jene historisch­en Ereignisse, die Herman Melville zu seinem Klassiker inspiriert­en. „Moby Dick“, der 1851 erschien, muss erst geschriebe­n werden.

Doch die spannende Vorgeschic­hte zum Mythos des weißen Wals verdünnt sich bei Howard zum konvention­ellen Seemannsga­rn.

Zuerst wird viel Whiskey getrunken: Der zarte Ben Wishaw als Schriftste­ller Melville sucht den letzten Überlebend­en der Besatzung des Walfangsch­iffes „Essex“auf. Von ihm möchte er von den grässliche­n Begegnunge­n mit dem legendären Dämonenwal erfahren, die damals die Runde machten.

Es dauert, ehe der Mann (ein wehleidige­r Brendan Gleeson) mit der ganzen Wahrheit herausrück­t und in Rückblende­n von den Wal- fangfahrte­n und schließlic­h dem fatalen Zweikampf mit dem Riesenwal erzählt.

Howard setzt auf Genreüblic­he Schauwerte: Gewaltige Stürme, splitternd­e Schiffsmas­te – und Wellen, die beeindruck­end hoch steigen. Doch keine Sekunde hat man das Gefühl, sich auf offener See und nicht im Computer zu befinden. Guckkasten in 3-D anstelle epischer Breite.

Der weiße Wal selbst macht es wie Spielbergs weißer Hai: Er lässt sich lange nicht blicken – oder nur in kleinen Portionen. Wenn endlich seine gebieteris­che Schwanzflo­sse auftaucht und wuchtig das Meer zerteilt, hat man sich seinen Anblick redlich verdient.

Allerdings steht kein monomanisc­her Kapitän Ahab am Ruder der „Essex“und schwört dem Killerfisc­h ewige Rache, sondern ein reicher Schnösel. Angeberisc­h kommandier­t er die Mannschaft herum und liefert sich mit seinem ersten Offizier – einem grimmigen Chris Hemsworth – klassenkäm­pferisches Hickhack.

Nun macht es Ron Howard Ehre, auch unheroisch­e Momente des Walabenteu­ers in zäher Ausführlic­hkeit erzählen zu wollen. Er habe eine Art historisch­e Doku angestrebt, beteuerte er in Interviews. Wie Angelina Jolie in „Unbroken“, lässt auch er die Besatzung monatelang hilf los auf offener See treiben, nachdem der Wal das Schiff versenkt hat. Die Lage spitzt sich zu, der Proviant ist aufgebrauc­ht, Menschenfl­eisch steht auf dem Speiseplan. Selbst der sonst so schöne Chris Hemsworth ver- schwindet langsam hinter einem langen Zottelbart.

Tatsächlic­h aber nehmen diese langatmige­n Szenen der ohnehin schon schwachen Handlungsd­ynamik den letzten Wind aus den Segeln. Zumal sich trotz Detailtreu­e keine rechte Emphase für das Schicksal der nur flüchtig skizzierte­n Männer einstellen will. Im Gegenteil: Man freut sich geradezu, wenn endlich wieder der Wal auftaucht und mit seiner Flosse Schwung in die lahme Handlung bringt.

Von archetypis­chen Gefühlen oder gar einem monumental­en Zweikampf zwischen Mensch und Natur keine Rede. Dazu brauchte es schon eines Herman Melville, um aus der Walfisch-Anekdote Weltlitera­tur wie „Moby Dick“zu machen: „Nennt mich Ismael.“

Aber nicht Ron Howard.

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