Tausende tanzten vor den Augen Hunderter Polizisten in die Silvesternacht hinein
Wien. Trotz aufrechter Terrorwarnung war der Silvesterpfad so gut besucht wie in den Jahren zuvor. Polizei ermittelt nach Attacke auf Moschee mit Feuerwerkskörper
Christine Steinmetz hatte ein wenig Bauchweh. Seit zwanzig Jahren verkauft sie zu Silvester Glücksschweine und Souvenirs auf ihrem Stand am Graben. Gestern, Donnerstag, hatte sie deshalb erstmals ein „ungutes Bauchgefühl“, wie sie erzählt: „Wenn ich nicht arbeiten müsste, wäre ich nicht hier.“Sie fand, dass auch weniger los sei als in den Jahren zuvor.
500 Polizisten versahen am Donnerstag wegen der aufrechten Terrorwarnung – die für mehrere europäische Städte, darunter auch Wien, gilt – in der Wiener Innenstadt ihren Dienst. 250 Beamte aus den Bundesländern wurden zusätzlich eingeteilt. Auch wenn es abgesehen von einer sehr allgemeinen Mitteilung eines „befreundeten Geheimdienstes“in der Vorwoche keine Hinweise für einen konkreten Anschlag gibt, wie die Polizei mehrmals betonte.
Platz geräumt
Vor dem Haas Haus am Stephansplatz, wo die Wiener Polizei ein Container-Büro eingerichtet hatte, standen Polizeibeamte mit Sturmgewehren. Nervosität machte sich bemerkbar: In den Mittagstunden musste der Stephansplatz etwa eine halbe Stunde lang gesperrt werden. Grund war ein Fahrrad, das augenscheinlich niemandem gehörte. Kurze Zeit später wurde die Besitzerin, eine Anrainerin, ausfindig gemacht. Die Polizei gab Entwarnung.
Trotz der Terrorwarnung – und eisiger Temperaturen – war am Silvesterpfad schon bald viel los. Die Menschen tanzten Langsamen Walzer – über Lautsprecher gab es vom Tanzlehrer Anweisungen für schunkelnden Menschen in der Menge: „Vor, Seit’, Schluss. Rück, Seit’, Schluss.“
Marco Trinkl, der mit seinem Arbeitskollegen mit einem Glas Sekt anstieß, ließ die Terrorwarnung für die Innenstadt unbeeindruckt. „Ich war nur überrascht, dass ich auf den ersten Blick keine Polizisten gesehen habe.“Jennifer und Thomas aus St. Andrä-Wördern in Niederösterreich – stilecht ausgestattet mit Wolfshaube und Marienkäferhaube – waren extra für den Silvesterpfad nach Wien gekommen. Trotz ausgelassener Stimmung, wollten sie nur am Nachmittag in der Innenstadt bleiben: „Jetzt geht es noch, aber am Abend wollen wir wegen der Terrorwarnung nicht mehr hier sein“, erzählten sie. Gegen das mulmige Gefühl im Bauch könnten auch „Ladykiller-“und Apfelpunsch nichts ausrichten.
Ab frühen Nachmittag patrouillierten die Polizisten vermehrt mit Sturmgewehren in Zweier- oder DreierGruppen durch die Stadt. Zu Redaktionsschluss am frühen Abend war die Stimmung jedenfalls ausgelassen. Einige Touristen dürften die Polizeipräsenz eher lustig als beängstigend gefunden haben: Sie machten Fotos mit den bewaffneten Beamten. Rohrendorf. Es war in der Nacht auf Mittwoch, als die Moschee in Rohrendorf bei Krems, Niederösterreich, verwüstet wurde. Als die Mitglieder der muslimischen Gemeinde am nächsten Tag die Räumlichkeiten betraten, entdeckten sie ein eingeschlagenes Fenster, einen komplett demolierten Fensterrahmen und Scherben, die in den Büroräumen verstreut herumlagen. „Da sich die Tat in der Nacht ereignete, wurde glücklicherweise niemand verletzt“, sagt Ersoy Bülbül von der Islamischen Föderation in Wien.
Wer hinter dem Vorfall steckt, ist laut Polizei noch unklar. Ebenso, ob der Vorfall politisch motiviert war, oder als Vandalenakt zu klassifizieren ist. „Vermutlich wurde die Tat mit einem gezündeten pyrotechnischen Gegenstand begangen“, sagt Polizeisprecher Markus Haindl. Der Tatort wurde gesichert, von den Verdächtigen fehlt bisher jede Spur. Die Höhe des Schadens kann laut Polizei noch nicht beziffert werden, die Islamische Föderation schätzt ihn auf 4000 bis 5000 Euro.
Mahn ache
Ersoy Bülbül vermutet, dass die Täter mit dem Angriff Ängste schüren wollten. Aber das sei nicht gelungen: „Am Anfang waren die Mitglieder der Gemeinde verzweifelt, aber mittlerweile sind alle wieder beruhigt“, sagt Bülbül. Für morgen, Freitag, ist nun eine Mahnwache nach dem Freitagsgebet geplant.