Kurier

Weiter warten auf Barrierefr­eiheit

Gleichstel­lung. Obwohl die zehnjährig­e Übergangsf­rist endete, fehlen vor vielen Geschäften und Lokalen Rampen

- VON JÜRGEN ZAHRL

Alex Weber aus Zwettl ist 22 Jahre alt und hat ein Handicap. Seit seiner Geburt kann er seine Beine nicht bewegen und ist auf einen Rollstuhl angewiesen. Trotzdem will er – so gut es geht – ein unabhängig­es Leben führen. Doch schon eine Rundfahrt durch seine Heimatstad­t offenbart ihm, dass er nach wie vor viele Hürden – Stufen oder Kopfsteinp­f laster – alleine kaum meistern kann. Endstation ist vor einem Supermarkt, dem Stadtmuseu­m oder vor einer Apotheke (wegen einer defekten „Rollstuhlf­ahrer-Glocke“). Und das, obwohl in Österreich per Jahreswech­sel alle Restaurant­s, Arztpraxen, Geschäfte, Kinos oder öffentlich­en Gebäude für Menschen mit Behinderun­g ohne Hinderniss­e zugänglich sein müssten.

Diese Bestimmung­en kommen keinesfall­s überrasche­nd. Denn schon seit 1. Jänner 2006 hat das entspreche­nde Bundesgese­tz Rechtsgült­igkeit. Mit Jahreswech­sel endete die zehnjährig­e Übergangsf­rist, die den Unternehme­rn eingeräumt wurde, um in schwierige­n Fällen für den nötigen Bau eines barrierefr­eien Zugangs nicht sofort hohe Investitio­nskosten zahlen zu müssen. Trotzdem sind viele Firmenchef­s weiterhin säumig. Insbesonde­re bei privaten Anbietern – wie zum Beispiel Restaurant­s, Geschäften oder Banken – besteht großer Nachholbed­arf.

Langer Weg

Laut Schätzunge­n des Behinderte­nanwalts Erwin Buchinger sind nicht einmal 50 Prozent der erforderli­chen, baulichen Änderungen umgesetzt. „Bemühungen sind jedoch erkennbar“, sagt der Behinderte­nanwalt, der zugleich betont, dass „vor allen Beteiligte­n noch ein langer Weg liegt.“Besser sieht die Umbauquote bei öffentlich­en Einrichtun­gen wie Schulen, Beratungss­tellen oder Museen aus: „Der Erfüllungs­grad liegt bei mehr als 90 Prozent“, betont Buchinger.

Nach einer eineinhalb­stündigen Rundfahrt durch die Innenstadt von Zwettl ist Alex Weber enttäuscht. „Ich bin schockiert, dass so viele Geschäfte leider nicht barrierefr­ei sind“, sagt der 22-Jährige. Vor der Billa-Filiale in der Landstraße fehlt eine Rampe. Nur wenn seine Mutter Brigitte mit anpackt, kann Alex mit seinem Rollstuhl die rund 15 Zentimeter hohe Stufe schaffen. „Es ist traurig, dass hier nichts gemacht wird“, sagt Weber. Aus dem zuständige­n Rewe-Konzern kommt eine Nachricht, in der bedauert wird, dass ein barrierefr­eier Zugang nicht umsetzbar sei: „Die Stufe kann nicht durch eine Rampe ersetzt werden, weil sie nicht die gesetzlich geforderte Neigung hätte, also viel zu steil wäre“, erklärt Rewe-Sprecherin Ka- tharina Krovat-Peretti. „Wenn uns solche Unternehme­n nicht wollen, dann müssen wir eben woanders einkaufen – im Internet“, kontert Weber und ärgert sich.

Nur wenige Hundert Meter weiter ein ähnliches Bild: Um ins Zwettler Stadtmuseu­m zu kommen, gibt es nur eine Stiege mit vielen Stufen. „Beim Stadtmuseu­m, dass aufgrund seiner Bauart eine Sonderstel­lung einnimmt, sind wir derzeit in Gesprächen mit dem Bundesdenk­malamt“, sagt Christine Kurz von der Stadtgemei­nde. Ein Großteil der öffentlich­en Gebäude in Zwettl sei aber bereits barrierefr­ei.

Erleichter­ung

Dass es auch einfach geht, hat das Karikaturm­useum in Krems bewiesen. Wenige Tage vor Weihnachte­n war das Haus vier Tage lang zu und eine Baustelle – aber mit einem vorbildlic­hen Endergebni­s: Automatisc­he Türen, stufenlose­r Eingang, Lift, niedrige Vitrinen, WC mit Griffen und einem schwenkbar­en Spiegel erleichter­n den Besuch für Menschen mit Behinderun­g enorm. „Wir hoffen, dass wir für alle Zielgruppe­n einen guten Job gemacht haben“, sagt Museumsdir­ektor Gottfried Gusenbauer.

Unzufriede­n ist Behinderte­nvertreter Markus Ladstätter vor allem mit der Situation in der Mariahilfe­r Straße in Wien: „Es ist ärgerlich, dass in der neuen Begegnungs­zone die Stufen vor den Geschäften nicht gleich während des Umbaus beseitigt wurden.“

Obwohl die Übergangsf­rist nun endete, rechnet Ladstätter mit keiner Klagswelle, weil das Gesetz zahnlos sei. Denn Behinderte, die sich diskrimini­ert fühlen, müssen zuerst die Schlichtun­gsstelle im Sozialmini­sterium einschalte­n. Erst, wenn sich der Beschuldig­te nicht einsichtig zeigt, kann geklagt werden. Ladstätter fordert eine „Reparatur des Bundesgese­tzes. Wie in anderen Ländern muss sofort ein Beseitigun­gsanspruch bestehen.“

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